Deutsche Postautomation

Informationen zur deutschen Postautomation im Bereich Freimachung,
Briefannahme, Schalterbetrieb und Briefbearbeitung



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Münzfreistempler



Einführung und der Gerätetyp der Fa. Hänel&Schwarz, Berlin- Neukölln am Postamt W 9 in Berlin

Münzfreistempler  stellen mittlerweile ein breites Automatenspektrum dar, das im Bereich der deutschen Post  bis dato ( Stand Juni 2008 ) nur Einsätze im  Betriebsversuch  vorweisen kann!
Scharfe Definitionen zur Trennung der verschiedenen Typen sind darstellbar, aber nicht ganz sinnvoll. So wurden definitionsgemäß auch im IBM- und Olivetti- Verfahren im ABAS- System ( Automatisches Briefannahmesystem von 1995/1996) nach Münzeinwurf die Briefe freigestempelt im Gegensatz zum Siemens-Nixdorf– und Nagler- Verfahren mit Labelfreimachung. Aber eine Abhandlung nach historischen Gerätetypen und -gruppen erscheint sinnvoller.  Alle Automaten sind dem Schalterbetrieb zur Entlastung vorgelagert, in der Briefannahmemöglichkeit unterschiedlich  ausgestattet, teils im Schaltervorraum platziert und teils auf der Strasse aufgestellt mit 24Stunden Zugänglichkeit.

Ich werde also nacheinander die Münzfreistempler  der Firma Hänel&Schwarz vorstellen mit ihrer Einsatzzeit von 1931 bis 1939 , anschließend den Francotyp- Münzfreistempler von 1954 und 1955 und den Klüssendorf- Münzfreistempler als deutschen Automaten, auch wenn er nur einen einmaligen Auslandseinsatz bekam auf dem Hauptpostamt Cairo während des Weltpostkongresses von Januar bis Mai  1934.

Bevor auch die weiteren Automaten im Briefannahmebereich der deutschen Post (Einschreibautomaten,  ABAS- System, PDL- Automaten ) noch ihre eigene Darstellung bekommen, möchte ich an dieser Stelle kurz auf die allgemeine internationale historische Entwicklung  eingehen. Sicherlich ist an dieser Stelle auch A.Lehr, Dietzhölztal als Fachmann im Gesamtspektrum der Münzfreistempler  ( auch international ) zu nennen,  und ich danke für bereitgestellte Informationen.

Schon 1895 und verbessert 1896 legt Detalmo di Brazza Savorgnan aus Rom dem amerikanischen Patentamt  Entwürfe für einen Postautomaten vor, der nach Geldeinwurf  den eingelegten Brief  freistempelt und zur weiteren Beförderung vereinnahmt.

          
US- Patentschrift von 1896 zur COIN FREED LETTER POSTING OR STAMPING MACHINE
Es existiert wohl bis dato nur ein Brief (1897) hier vorgestellt aus der Sammlung von D.Kelsey, USA.

                                                        

Es waren wohl in New York vier Geräte aufgestellt und da eine Registrierung vorgesehen war, liegt hier wohl auch noch zusätzlich der erste Einschreibautomat vor.
In der weiteren Entwicklung ist Norwegen 1900 zu nennen mit dem Münzfreistempler von C.H.Kahrs in Christiania ( heute Oslo), nachfolgend Neuseeland 1904 mit dem Gerät von Ernest Moss. Es folgte 1912 England mit dem Wilkinson Münzfreistemplereinsatz in London.

                                            
                                

Die Abbildung zeigt die Ersttagsverwendung mit rotem Münzfreistemplerabschlag im Londoner Generalpostamt. Der dazugehörige  Poststempel zeigt immer „London .E.C 172“ und hier mit dem Ersttag  das Stempeldatum 25. Januar 1912.  Der Automat war bis Ende August 1912 in Betrieb.

Fast 20 Jahre später am 20.4.1931 kommt es zur erneuten Erprobung eines Münzfreistemplers, diesmal und erstmals elektrisch betrieben, am Postamt Berlin W9 und dazu passend ein zeitgenössischer Bericht von Weiner in der Philatelisten- Zeitung.

                

Der Münzfreistempler war also im Schaltervorraum etabliert, hatte 9 Wertstufen in 5Pfennigschritten von 5 bis 45 Pfennigen. Der Autor Weiner macht gleich auf die Portostufenverwendungsmöglichkeiten aufmerksam und gibt Tipps zur  Ergänzung unter Einsatz von  Briefmarken für weitere mögliche Versendungsarten. Ferner erwähnt er die bereits oben genannten Vorläufer aus Oslo und London. In seiner Prognose zur weiteren Verbreitung im Automateneinsatz sollte er aber, wie sich zeigen wird, nicht richtig liegen.


                                          
        
Wir sehen in der obigen Abbildung den Abschlag des Münzfreistemplers W9 vom 21.5.1931  und damit 4 Wochen später nach der Installation vom 20.4.1931.Typischerweise 8Eck- Freistempel DEUTSCHES REICH  mit Datumzeile im  Ortsstempel  Berlin W 9 ohne Punkte hinter den Datumziffern und 5strahligen Stern. Nicht in der Monatsangabe wohl aber in der Tagesangabe wird vor den Ziffern 1 bis 9 ein Leerstrich  gedruckt. Keine Uhrzeitangabe.

Da der Münzfreistempler nur 5 und 10Pfennigmünzen annahm und in diesem Fall keine Briefmarken- Zusatzkonstellation zum 5Pfennigwert gewählt wurde, muss in der Portophase ab 1.8.1927 mit Wahl der 10Pfennigstufe eine „Zwangsüberfrankatur“ für die Fernpostkarte mit 2Pfennig akzeptiert werden.

Der waagerecht eingeführte Brief mit der Maximalgröße von 24x16cm wird nach Betätigung eines Schaltknopfes nach innen gezogen, freigestempelt und nicht mehr zurück gegeben (Briefkastenfunktion). Nach neuester Untersuchung  kann man an den Belegen mehr oder weniger deutlich  eine doppelte Rändelführung für den Transport hinein und im Gerät im Abstand von 8,7cm erkennen. Dabei ist die Rändelführung bezogen auf den Freistempel rechts nur 3 mm vom 8Eckwertrahmen entfernt links aber 19 mm zum Ortsstempel. Die gelegentliche Miteinfärbung durch den sehr nahen rechtsseitig gelegenen  Freistempel stellt sich dann hier in einer Rändelleiste dar mit 5mm breiten Strichen, während linksseitig nur unter der Lupe in einigen Fällen die Einkerbungen im Blinddruck erkennbar sind. Besonders bei stärkerem  Papier lässt sich diese gedoppelte Druckführung erkennen und bei der gelegentlichen Miteinfärbung  rechts vom Wertrahmen als rote Rändelleiste.
Nicht immer funktionierte wohl dieses Transportsystem korrekt im Zusammenspiel mit der Freistempelung.

                                                  

Auf der Karte vom 24.11.1934 hat das Zusammenspiel von Transport und Stempel erkennbar nicht funktioniert. Der Münzfreistempelabschlag sitzt zu tief, eine nachträgliche Entwertung  mit Tagesstempel wurde erforderlich.  6 Pfennig für die Fernpostkarte durch Kombination von MFS und Briefmarke (neue Portophase).Hier deutlich erkennbar die rechtsseitige rot verfärbte Rändelleiste.

                                            

Auf der obigen Postkarte , die wohl im Briefkastenteil des Münzfreistemplers lag, hatte die Freistempelung wohl Totalausfall. Die freundlichen  Beamten haben den Ausfall dokumentiert und mit zwei Unterschriften und Tagesstempel bestätigt:
„Durch Münzfreistempler „Autofrank“ aufgeliefert. Keine Nachgebühr erheben. Berlin- Charlottenburg 9 und Datum 12.12.1932“.
                                       
Der Münzfreistempler von Hänel&Schwarz  beim Postamt Berlin W 9 am Potsdamer Fernbahnhof lief über 3 Briefportophasen zwischen 1931 und 1938 und wurde in dieser Zeit in seinem Wertstufenangebot von 5 bis 45 Pfennigen in 5 Pfennigschritten  nicht verändert. Ähnlich der Automatenmarke ist ja hier interessant der möglich wechselnde Wertziffernabruf im gleichen Klischee. Eine folgende Beispieldokumentation zeigt hier ein interessantes Spektrum.


                                            


Die gezeigte Postkarte ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Zunächst die seltene Verwendung als Ortspostkarte (bereits die 3.Portophase seit 1931). Hier keine rot verfärbte Transporträndelspur rechts, wohl aber in der Lupenbetrachtung deutlich die doppelte Druckrinne für den Transport im Abstand von 8,7cm, die sich auch rückseitig darstellt! Ferner bemerkenswert die Verwendung mit Datum vom 8.1.1938! In einem Schreiben der Reichspostdirektion Berlin vom 12.8.1937 wird von einem Kurzschluss mit Brandfolge im Münzfreistempler W9 mit Datum vom 31.7.1937 berichtet. In meiner Annahme, dass damit -  s.a. Informationsschrift März 1996 „Vom Münzfreistempler und Münzwertzeichendrucker zum Automatischen Briefannahmesystem“ als Heft Nr. 17 der Giel- Agentur -  wohl eine Reparatur nach 6 Jahren Betriebsversuch obsolet war, lag ich wohl nicht richtig ! Es existieren nachweislich bis dato 3  neu entdeckte Belege davon 2 sogar aus August 1937, so dass eine Instandsetzung wohl leichter war, als retrospektiv vermutet werden konnte, und der obige Beleg  mit Datum 8.1.1938 ist  aktuell ein „neuer Letztag“. Forschung weiterhin offen. In dem Zusammenhang ist ferner eine interessante Frage, warum die  Münzfreistempler weiter betrieben wurden, obwohl mit Verfügung vom 12.1.1935 eine Ablehnung für eine weitere Erprobung von Münzfreistemplern der Fa. Hänel&Schwarz und weitere Standorte gefallen war.
Aber dazu möchte ich in einem Resümee nach Vorstellung auch der Handkurbel- Münzfreistempler von Hänel&Schwarz  Stellung beziehen, bevor es  mit der Vorstellung des Münzfreistemplers der Fa. Klüssendorf weiter geht.
Jetzt geht es aber erst einmal mit steigenden Portostufen und ihren Verwendungen im W9- Gerät  weiter.


                                                  

Die Fernpostkartenverwendung zeigt die schon oben erwähnte „Zwangsüberfrankierung“, die nur beim Münzfreistempler W9 verständlich ist bei Ermangelung von zusätzlich  möglichem Briefmarkeneinsatz und zur Vermeidung von Nachgebühr. Die Photopostkarte zeigt im Freistempel eine relativ späte Verwendung vom 12.1.1937, ferner ist hier auch wieder deutlich eine doppelte Druckrinne im Blinddruck erkennbar mit rechts angedeuteter  rötlicher Rändelführung. Im Wertfeld für eine mögliche Briefmarke fällt ein Zusatzstempel mit „G.St.10Pf“ auf, was ja  von der Wertangabe nicht  zur normalen Briefmarkenverwendung einer Postkarte passen würde, sondern eher einen Hinweis zur Münzfreistemplernutzung  erklären würde! Ich erbitte Interpretationshinweise!


                                                  

In der obigen Abbildung sehen wir eine passende portogerechte Verwendung des Münzfreistemplers W9 als 15Pfennig- Auslandspostkarte mit Datum vom 14.8.1936. Doppelte Druckrinnen durch Beförderungssystem  im Blinddruck erkennbar.


                                                 

Der 20Pfennigabschlag des Münzfreistemplers ist hier mit Zusatzfrankatur  zur 3Pfennig- Privatganzsache mit Wertstempel J.W.v.Goethe zur portogerechten Verwendung als Luftpost- Drucksache unter Rohrpostzuleitung zum Flughafen genutzt mit Datum vom 15.5.1931

               
                                      
              

Der 25Pfennig- Münzfreistempel W9 im portogerechtem Weltpostbrieftarif mit Datum vom 27.1.1937.Rechts rote Rändelleiste. Als Absender fungiert W. Simon-  zeitlebens Spezialist in Sachen Freistempel. Sein Umschlag vom „alten Dienstherren“ der Auskunftei Gebr. Arnhold ist bezüglich der Herkunft durchgestrichen. Vielleicht bereitet er hier schon seine Auswanderung über England und Canada in die USA  vor.
                   
                                                 
Hier der 30Pfennig- Münzfreistempel W9 auf eingeschriebener Ortspostkarte mit Datum vom 4.5.1931 an ein Vermessungsbüro in Berlin Tegel in einer wichtigen Terminabsprache. Die Einschreibbearbeitung am Postamt W9 erfolgte  9.10Uhr vormittags, die Zustellung in Berlin- Tegel 15-16Uhr nachmittags.

                                   

Ein wohl schwergewichtiger (250g) Hotelbrief wurde hier am Münzfreistempler mit 35Pfennig zusatzfrankiert. 2Pfennig vor- und 3Pfennig Hindenburg rückseitig mit Handtagesstempel Postamt W9 ergänzen am 25.9.1936 zum 40 Pfennig- Gesamtporto. Rändelspur rot rechts.
Nach 39 Jahren Aufmerksamkeit  war  nun auch diese letzte Wertstufe  mit dem Abschlag zu 40 Pfennigen zu entdecken. Es handelt sich um einen Luftpostbeleg mit Zusatzfrankatur Michel 531 in die USA

Der Firmenbrief der AEG wurde am 16.9.1936 auf den Weg gebracht und neben dem Automatenstempel in der Wertstufe zu 40 Pfennigen kam  der 15 Pfennigwert Steinadler zur Ergänzung und wurde hier mit Poststempel Berlin W 9 entwertet. Rechts die rote Rändelspur des mit eingefärbtem Transportrades im Gerät. Auf diese Rändelspur wurde bereits mehrfach hingewiesen als typischer Zusatzhinweis zu diesem Münzfreistempler.
                
                                               

Die 15 Pfennig Flugpostmarke deckt hier die Auslandspostkarte ab. Für den Schleuder/Vorausflug waren weitere 50 Pfennig zu leisten, die mit 5Pfennig- Hindenburg als Ganzsache und mit dem Münzfreistempler W 9 mit seiner höchstmöglichen abrufbaren Wertstufe von 45 Pfennig geleistet wurden. Datum vom 8.7.1932.

Der elektrisch betriebene Münzfreistempler im Postamt W 9 mit seinen 9 fest einprogrammierten Wertstufen  stand in  Konkurrenz zu den entwickelten Münzfreistemplern von Klüssendorf und Francotyp, die über verbesserte Funktionen z.B. in der beliebig wählbaren Portostufe verfügten. Schon November 1934 teilte auch die deutsche Post  der Fa. Hänel&Schwarz  mit, dass sie an einer Neukonstruktion eines elektrisch betriebenen Münzfreistemplers für verschiedene Gebührensätze nicht interessiert ist. Aber die deutsche Reichspost stand den angeführten Automaten sehr kritisch gegenüber, so dass  von diesen Firmen kein Betriebsversuch mehr bis 1945 erfolgte, obwohl nachweislich 1935 die deutsche Reichspost der Fa. Francotyp die Möglichkeit einer unverbindlichen Versuchsaufstellung zugesagt hatte.

Nach Abhandlung des Münzfreistemplers von Hänel&Schwarz im Handkurbelbetrieb im nachfolgenden Kapitel werde ich dazu noch einmal Stellung beziehen.



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