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Briefannahme, Schalterbetrieb und Briefbearbeitung
08.02.2017 TIETZ WARENHÄUSER 15. Fortsetzung
Menüpunkt Konzernaufbau Oscar Tietz
Fortsetzung Oscar Tietz
Die Fortsetzung der Warenhausgeschichte Oscar Tietz in der Stadt Berlin bedarf zunächst dennoch einer Abgrenzung zu den Niederlassungen der GEBRÜDER TIETZ und auch LEONHARD TIETZ an diesem Standort.
Vorgestellt wurden schon die Gebrüder Tietz mit ihrer Handelsgesellschaft zunächst gegründet in Birnbaum und verlegt nach Berlin in die Klosterstraße 64. Die Gebrüder Tietz stellten die „Onkelbrüder “ von Oscar Tietz dar mit Hermann, Chaskel, Julius, Heinrich und Markus (dem Alter nach sortiert) und stammten aus der „reichen Linie Tietz“ in Birnbaum.
Direkt rechts auf der obigen Ansichtskarte der Neubau von 1904 der Gebrüder Tietz in der Berliner Klosterstraße, das Haus blieb im Krieg unzerstört und wurde nach der Arisierung in der Nachfolgegesellschaft Verwaltungsgebäude der Hertie Waren- und Kaufhaus GmbH und beherbergte wohl zu DDR – Zeiten noch den Ministerrat und steht mit seiner Jugendstilfassade unter Denkmalschutz und dient aktuell der Verwaltung in Berlin. Die Gebrüder Tietz Gesellschaft bekam am 7.1.1932 ihren Francotyp Absenderfreistempel C 1084 und dazu ein Detailausschnitt der Firmenstammkarte der Francotyp.
Der Francotypfreistepler C 1084 war zuvor eine Firmenvertretermaschine von Francotyp gewesen unter FRITZ SEEL aus Heilbronn und hatte dort ihre Erstnutzung ab 12.4.1929.
Natürlich war auch in diesem Fall nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten das Handelsunternehmen der Gebr. Tietz ein Fall für die Arisierung und die Auswahl der Geschäftspostkarten dokumentiert sinnfällig den Werdegang aus den Beispielen von 1934 bis 1942.
Wurde zunächst noch im Absendereindruck Gebr. Tietz belassen, erfolgte rasch der Zudruck der neuen Inhaber H. W. Hoehne & E. Benecke. Erstaunlich wurde der Neudruck 1938 noch unter Gebr. Tietz aufgelegt und auch der Beleg aus dem Jahr 1942 dokumentiert noch den Aufbrauch unter Löschung Gebr. Tietz mittels schwarzem Balkendruck und die Adresse hatte sich von der Klosterstraße zur Spandauerstraße verändert. Aber das abgebildete Geschäftshaus im Werbeklischee des Absenderfreistempels offenbart noch eine Überraschung. Denn die 3. zugehörige Stammkarte zum Freistempler C 1084 offenbart interessante Klischeeveränderungen im Werbeteil des Absenderfreistempels im Zeitraum vom 5.6.1940 bis zum 1.3.1946. Auch ein Geschäftsbrief mit Datum vom 25.10.1944 wurde entsprechend beigefügt und in diesem Fall mit der mittlerweile eingeführten Postleitzahlstempel 10 für Gröditz.
Interessant sind jedoch auch Details des Werbeteils im Freistempel bei näherer Betrachtung
Am 5.6.1940 wird im Gebäudedach der Spandauerstraße 41 noch erstaunlich mit dem Schriftzug der jüdischen Gebr. Tietz geworben und erst im Klischee vom 30.4.1942 wird die Dachinschrift in H und B für Hoehne und Benecke ersetzt. Die Sonne mit ihrem Waren -angebot wurde jedoch belassen und im Strahlenkranz Mode-, Kurz-, Textil-, Knöpfe u. die vielen anderen Artikel aufgeführt. Am 11.3. 1946 war wohl eine neue Adresse angesagt und Berlin C2 mit Spandauer Str. 41 fielen weg. Vollständigkeitshalber sei erwähnt, dass der Freistempler C 1084 ab dem Jahr 1952 zum Aufbau-Verlag in Berlin W 8 wechselte.
Aber auch Oscars Bruder Leonhard Tietz war in Berlin schon zu Anfang des 20. Jahrhunderts seit dem Jahr 1905 vertreten aber dies mit einer Einkaufsfiliale und speziell mit eigenen Produktionsstätten aus dem Textilbereich. Mit der Handelsgesellschaft Gebr. Tietz und der Fabrikationsstätte Leonhard Tietz waren für Oscar Tietz zwar Onkel und Bruder in Berlin vertreten, aber nicht als direkte Konkurrenten im Warenhausgeschäft tätig!
Bevor es also mit Oscar Tietz in Berlin weitergehen soll zur Vollständigkeit noch ein Blick auf Leonhard Tietz in Berlin.
Das sog. HAUS BERLIN in der Leonhard Tietz Organisation war besonders im Textilbereich aufgestellt mit Produktion in der Damen- und Herrenkonfektion. Dies geschah auch teils unter Einbeziehung mit dem Standort Plauen und einer dortigen Stickerei. Berlin war zudem Wäschelager und auch die Beschäftigung von Näherinnen und auch Plätterinnen fanden hier durchaus zentral ihren Standort. Dazu noch ein Detail obiger Paketkarte als Selbstbucher der Berliner Leonhard Tietz AG aus dem Jahr 1914 und man belieferte auch durchaus noch in den ersten Kriegsmonaten weitere Warenhäuser wie dies das Beispiel an das Warenhaus Kauder in Mannheim belegt.
Ab Datum 10.12.1931 (rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft) stand dann auch zur Rationalisierung ein Absenderfreistempel im HAUS BERLIN der Leonhard Tietz AG zur Automation der Postbearbeitung zur Verfügung, wie dies die folgende Francotypstammkarte dokumentiert. Auch der eingeschriebene Brief belegt den Freistemplereinsatz und dies auch im Bereich der angeführten Textilverarbeitung mit einem Schreiben an den Verband der Deutschen Veredelungsanstalten für Baumwollgewebe in Leipzig und hier an die Abtl. Kattundruck.
Die komplette zugehörige Francotypstammkarte dokumentiert ein äußerst wechselvolles Geschäftsleben (9 Klischeewechsel) und lässt Raum für weitere Recherchen, die zumindest versuchsweise vorgestellt werden ohne Anspruch auf eine endgültige Erklärung.
zugehörige Rückseite
14.02.2017 TIETZ WARENHÄUSER 16. Fortsetzung
Menüpunkt Konzernaufbau Leonhard und Oscar Tietz
Fortsetzung Oscar Tietz
Die oben vorgestellte Francotypmaschine Typ B 1656 war, wie vorderseitig auf der Stammkarte vermerkt wurde, vorbereitet für auswechselbare Klischees und diese Einrichtung wurde im Handelshaus Leonhard Tietz in der Puttkamerstr. 16-18 auch genutzt, wie die folgenden 3 Einsatzteile auch bestätigen. Interessant die handschriftlichen Notierungen vom 15. 1. 1932 mit einem Auswechslungshinweis für alle 3 Klischees zum gleichen Termin.
Ich vermute, dass sich die Leonhard Tietz AG von ihrer Niederlassung in Berlin und den dort geführten Beteiligungen trennen wollte. Diese Vermutung würde das nächste Klischee unterstützen mit einem Verkauf an die KRAFT & ISRAELS G.M.B.H. und mit Einführung folgender Absenderfreistempelform notiert vom 2.12.1932.
Im Textilhandelshaus Kraft & Israel war der jüdische Teilhaber zum Ende des Jahres 1932 leider ein absehbar zeitlich begrenzter Geschäftspartner unter dem drohend aufziehenden nationalsozialistischem Regime. Damit schied ein seit dem Jahr 1815 bekannter Textil- und Kaufhausname unter NATHAN ISRAEL in Berlin aus und das noch vorhandene und wechselbare Klischee von Leonhard Tietz wurde bereits am 12.8.1933 im Rahmen der Arisierung zur Westdeutschen Kaufhof Aktiengesellschaft (vorm. Leonhard Tietz A.G.) entfernt. Dazu der kurze Hinweis, dass das Unternehmen Oscar Tietz dagegen in Hertie –Waren- und Kaufhaus GmbH bzw. Union – Vereinigte Kaufstätten GmbH arisiert wurde.
und dazu noch ein Anwendungsbeispiel mit Datum vom 29.10.1934
Der weitere Geschäftstitel unter Kraft und Israel wurde entsprechend obsolet und das Wechselklischee mutierte im Absenderfreistempel zur alleinigen WILHELM KRAFT & Co“ mit Datum vom 6.2.1934
Im Klischeewechsel vom 5.10. 1936 verschwindet dann auch der jüdische Vorbesitzerhinweis mit vorm. Leonhard Tietz A.G. aber man residierte noch in der Puttkamerstr.16/18.
Aber zum 27.1.1937 kann ein Absenderwechsel im Freistempler auch einen Ortswechsel dokumentieren von der ehemals Puttkamerstr. 16/18 zum Hausvogteiplatz 3/4 aber noch im Postamtsbereich SW 19.
Mit dem Hausvogteiplatz war die Westdeutsche Kaufhof AG in das jüdische Zentrum der Berliner Textilindustrie gewechselt.
In diesem Stadtviertel residierten um das Jahr 1870 ca. 40 Konfektionsfirmen und es wurde mit ca. 600 Subunternehmern und ca. 100.000 Näherinnen teils in Heimarbeit produziert und dies machte nebenbei Berlin auch zur Textilhauptstadt! Da traditionell die jüdische Bevölkerung schon stets in „Berufe verbannt war mit zunftfreier Basis“ zum Beispiel im Pferde- und Geldgeschäft und im Handel mit Altwaren gleich ob Textil oder Metall, erklärt sich die Entwicklung um den Hausvogteiplatz auch zu einem jüdischen Zentrum in Berlin. Dafür stehen markante Geschäftsnamen wie Rudolph Hertzog und Herrmann Gerson und „zwangsläufig“ fand hier das NS-Regime vielfache Möglichkeiten der Enteignung. Erwähnenswert ist dann noch die 10. Klischeeform des Freistemplers B 1656 mit dem Übergang durch Postorganisation vom Postamtsbereich SW 19 zu C2 und wird auf der Francotypstammkarte vom 27.1.1937 mit Datumshinweis vom 9.4.1938 dokumentiert.
Dazu noch zwei Kaufhausillustrationen zu Rudolph Hertzog. Das Haus in der Breitestraße 12 -15 mit der Gründung im Jahr 1839 entwickelte sich zum damals größten Berliner Kaufhaus allerdings ausschließlich auf dem Textilsektor wohl aber schon mit festen Preisangaben und Marmorfassaden und Gaslampen nach Pariser Vorbild erstaunten die Bevölkerung. Kaufhäuser Breite- und Brüderstraße (aus Zeitschrift „Ueber Land und Meer, Allgemeine Illustrirte Zeitung; Schreibweise wurde belassen und die Zeitschrift erschien in den Jahren von 1858 bis 1923).
Doch nun zu Oscar Tietz und seinen Berliner Aktivitäten im Warenhausboom zur Jahrhundertwende vom 19. in das 20. Jahrhundert und zu seinem erstem dortigem Warenhaus an der Leipzigerstraße und einer auf dem europäischem Kontinent bis dato nicht realisierten stark beachteten und bewunderten Architektenleistung mit imposanter durchgehender Glasfront über 4 Stockwerke in der Leipzigerstraße. Hier wurde Architektur erstmals bewusst auch zur Werbung eingesetzt und hier wollte Oscar Tietz sicherlich eine optische Übertrumpfung zum Nachbarkaufhaus Wertheim aus dem Jahr 1897.
Die Familie von Oscar Tietz blieb zunächst noch in München und die Planung in Berlin wurde akribisch vorbereitet. Ein Auslandsbesuch spez. in den USA war damit für Oscar Tietz eine Pflichtübung, um den aktuellen Trend im Warenhauskonzept zu erkunden und gleichzeitig auch spez. Fachkräfte zu engagieren. Das ausgesuchte Grundstück lag in der Leipzigerstraße nahe dem Dönhoffplatz in Berlin. Aber erst mit einem späteren Erweiterungsbau lag das Warenhaus dann mit einer weiteren Front direkt am Dönhoffplatz.
Das Grundstück Leipzigerstraße 46-49 reichte in der Tiefe bis zur parallel verlaufenden Krausenstraße 44-49. Dieses Straßen verbindende Konzept lag und liegt vielen Kauf- und Warenhäusern zu Grunde, kann so doch der Besucherstrom von und aus unterschiedlichen Einkaufswegen herangezogen werden.
Krausenstraße
Leipzigerstraße
Das Gelände umfasste auch das Haus der Haasenstein & Vogler A.G. der ältesten Annoncen-Expedition (Vorläufer der heutigen Werbeagenturen) in Europa und hier vorgestellt auf einem Brief der Niederlassung in Breslau.
In Parterre des Berliner Hauses war das Konzerthaus in der Leipzigerstraße und dies steht in der Erinnerung bis in heutige Zeiten mit dem Namen des Dirigenten und Komponisten Benjamin Bilse in Verbindung, der hier selbst von 1867 bis 1882 mit seinen Musikern ebenso wie seine Nachfolger große Erfolge feiern konnte. Durch den Kauf konnte Oscar Tietz nebenbei eine grundbuchrechtliche Schankerlaubnis vom Konzerthaus mit erwerben, die auch später Gastronomiebetriebe im Warenhaus erlaubten sollte. Das Baugelände in Berlin für gut 8 Millionen Reichsmark wurde im Jahr 1897 ausgesucht und 1898 erworben und es startete ein zügiger Abriss der stehenden Gebäude. Erneut liegt hier ein Beispiel unglaublich kurzer Bauzeit vor, denn das Kauf- und Warenhaus Tietz wurde ab 1899 erbaut und konnte schon am 26.September 1900 eröffnet werden! Zur Planungs- und Ausführungsüberwachung war Oscar Tietz mit seinem Fachteam direkt vor Ort und mietete im nahen Palasthotel dafür die gesamte 3. Etage!
Trotz sorgfältiger Planung führte das Projekt Oscar Tietz fast in den Konkurs!
21.02.2017 TIETZ WARENHÄUSER 16. Fortsetzung
Menüpunkt Konzernaufbau Leonhard und Oscar Tietz
Fortsetzung Oscar Tietz
Das Fachteam zur Vorbereitung einer Warenhausgründung in der Dimension z.B. von Tietz in der Leipzigerstraße in Berlin war höchst zahlreich besetzt und mit vielfältigen Aufgaben konfrontiert und erforderte ein INTERIMSBÜRO (s. LEO COLZE, Berliner Warenhäuser 1908). Allein mehrere hundert Angestellte und Arbeiter zu rekrutieren und dies mit entsprechender möglichst guter Qualifikation vom Heizer im Kellergeschoß bis zur Fachverkäuferin in der Teppichabteilung erforderte entsprechendes Fingerspitzengefühl und Erfahrung. Sicherlich konnten aus bisherigen Niederlassungen einige erfahrene Mitarbeiter abgezogen werden und auch „gute Leute“ der Konkurrenz waren durchaus willkommen, aber der Großteil unterlag einer Erstanstellung mit entsprechendem Risiko (aktuell vergleichbar mit der Inbetriebnahme eines großen Kreuzfahrtschiffes mit einer Crew von 1000 Mitarbeitern). Auch der Wareneinkauf bis zu mehreren Millionen Mark war termingerecht zu ordern und entsprechend vorzubereiten.
Für die Wunschvorstellung das Warenhaus mit der außergewöhnlichen Glasfront zur Leipzigerstraße realisieren zu können, engagierte Oscar Tietz speziell den Architekten Bernhard Sehring und beteiligt war zusätzlich in der weiteren Bauplanung noch Louis Lachmann. Oscar Tietz wollte sich wohl in Berlin zu den zukünftigen Konkurrenten Wertheim und Jandorf entsprechend eindrucksvoll in Stellung bringen und Paroli bieten. Es gab aber auch durchaus öffentliche Kritik und Hans Schliepmann spricht in seinem Buch der Geschäfts- und Warenhäuser (Sammlung Göschen aus dem Jahr 1913) sogar vom Glasflächenfanatismus.
Die 2 praktisch durchgehenden Glasfronten mit 26m Länge und fast 18m Höhe eingefasst von 2 seitlichen Nebenportalen und einem mittleren Hauptportal stellten für die tonnenschwere Dach- und Simskonstruktion eine schwierige Aufgabe dar. Die Weltkugel über dem Hauptportal hatte allein einen Durchmesser von 4,5m, war von innen beleuchtet und wurde vom Schriftzug TIETZ schräg umspannt. Sehring löste das Problem mit tragenden Pfeilern 2m hinter der Glasfront und aufgelegten Eisenkonsolen in Etagenhöhe. Dazu folgende Schnittzeichnung. Bei weiterem Interesse zur Bauausführung empfehle ich unbedingt als Quelle die BAUGEWERKS – ZEITUNG mit den Ausgaben 86, 88 und 95 aus dem Jahr 1900.
aus der genannten Baugewerks - Zeitung dazu noch eine Aufnahme aus dem Jahr 1900
So imposant schon die Glasfront zur Leipzigerstraße mit Hauptportal erschien, so war der anschließende Lichthof ausgelegt in Richtung Krausenstraße nicht weniger eindrucksvoll mit zwei bogenförmigen Treppenaufgängen zum Obergeschoss ausgeführt und dazu eine Ansichtskarte (gest. 1907) mit erkennbar zahlreichen üppig bestückten Warentischen und dem freien Blick in die oberen Stockwerke.
Der luxuriöse Teppichsaal war in der Leipzigerstraße ausgestattet in Hinblick auf die erwartet gehobene und zahlungskräftige Käuferschicht, die natürlich nach Einkauf in einem der zunächst sechs angeschafften Elektromobile nach Hause begleitet werden konnte.
hinter dem Elektromobil das Palais Kaiser Wilhelm des I. (Detail aus Lithografie Jahr 1901)
Schon die Konkurrenz zum benachbarten Wertheim ließ bezüglich der mobilen Kundenbetreuung keinen Spielraum (Ak Fuhrpark Wertheim Leipzigerst. gest. im Jahr 1906) und auch der Fuhrpark bei Tietz wurde ständig erweitert.
Nach oder während des Einkaufs war natürlich auch ein Verweilen noch angenehm im Teeraum des Warenhauses in der Leipzigerstraße bei Tietz möglich s. Ansichtskarte
Neben den geschwungenen Treppen im Lichthof zum ersten Geschoss gab es schon aufwendig ausgeführte Aufzüge im Warenhaus und auch ich kann mich noch an „begleitende Fahrstuhlführer“ (Foto Warenhaus Tietz) in Kaufhäusern erinnern.
im 5. Stock war dann auch das Restaurant mit dem Fahrstuhl erreichbar
Das 5. Stockwerk soll dann auch Stichwort sein zu den Problemen von Oscar Tietz mit seinem gerade gebauten Warenhaus an der Leipzigerstraße in Berlin. Die Kontrolle der Bauausführung und zugehörigen Rechnungen durch den aus München angereisten Onkel Hermann deckten Unstimmigkeiten auf. Die Angaben des Zementlieferanten bestätigten dann vor Gericht betrügerische Mengenangaben im Gegensatz zum Verbrauch und Oscar Tietz erhielt 1 Million Reichsmark Entschädigung. Der vorgetäuschte Zementverbrauch hatte aber gleichzeitig eine baupolizeilich verhängte Reduzierung der statischen Belastbarkeit im 5. Stock zur Folge. Oscar Tietz war zu diesem Zeitpunkt dringend auf das Geld angewiesen, denn das Jahr 1901 war von einer allgemeinen Wirtschaftskrise geprägt und die finanzierenden Hypotheken über 3 Millionen Reichsmark bei der Leipziger und Berliner Bank wurden durch deren Bankenkrise Not leidend. Oscar Tietz war gezwungen, Steuernachlass zu erbitten und Umfinanzierung zu horrenden Zinsen samt Gewinnbeteiligung akzeptierte er in dieser Situation beim Bankhaus HARDY & Co. Der private Kostenapparat wurde auf ein Minimum reduziert und das Warenhaus vom Luxussegmentanspruch befreit und wieder auf den billigeren Massenkonsum aber in guter Qualität ausgerichtet. Werbe- und verkaufseffektive Strukturen (Stichwort weiße Woche) speziell für verkaufsschwache Monate nach dem Weihnachtsgeschäft wurden erstmals durch Oscar Tietz etabliert und waren in dieser prekären Situation äußerst erfolgreich.
Inserat für die WEISSEN WOCHEN und Silhouette Warenhaus Leipzigerstraße
Die finanzielle Durststrecke wurde erfolgreich gemeistert, Gewinnbeteiligungen konnten relativ rasch wieder zurückgekauft und abgelöst werden und ab dem Jahr 1902/3 konnte Oscar Tietz erneut schon wieder an Geschäftsrenovierungen in seinen bisherigen Standorten denken und Neuniederlassungen in Berlin, Hamburg und München planen!
Aber aus dem Dachgeschoss im Warenhaus ist auch noch das zu seiner Zeit größte Fotoatelier in Berlin vorzustellen mit allein seiner Ausrichtung über 76m zur Leipzigerstraße hin. Drei Ateliers bis zu Aufnahmekapazität von 50 Personen und Dunkelkammern stellten mit Nebenräumen die Ausstattung dar und die Fotorückseite offenbart nicht 2 verschiedene Standorte sondern mit Krausen- und Leipzigerstraße wird wieder die Verbundenheit des Warenhauses bezüglich der möglichen Straßenzugänge festgehalten.
deshalb hier einmal folgend die weniger bekannte Fassade Tietz aus der Krausenstraße 46/49, die bei Hans Schliepmann mit mehr Wohlgefallen betrachtet wurde als ihr Gegenüber auf der Leipzigerstraße.
Ausstattungsdetails zum Warenhaus Tietz an der Leipzigerstraße zum Jahr 1900 sind vielfältig und an dieser Stelle nur der Hinweis auf Erstausstattung mit 10.000 Glühlampen, 1000 Bogenlampen und die benötigte elektrische Energie lieferten dazu 4 Kohle-Dampf-Generatoren zu je 400PS. Ein eigener Abwasserkanal wurde zur Spree verlegt und ich verweise noch einmal auf die Baugewerks - Zeitung aus dem Jahr 1900. Technischen Dingen war Oscar Tietz stets gegenüber aufgeschlossen und schon in München 1905 im neuen Warenhaus am Bahnhofsplatz wurde meines Wissens erstmals in Europa schon auf Dieselaggregate zur Stromerzeugung in Warenhäusern umgestellt. Aber auch der Einsatz der Postautomation fand schon direkt nach Einführung der Freistempelung mittels Absenderfreistempel bei Oscar Tietz (s. Beleg 31. März 1926 !) in der Leipzigerstraße und zugehörig Postamtsbereich SW 19 im Jahr 1926 statt und der Werbeeinsatz aus dem Jahr 1932 galt noch stolz dem 50. jährigen Jubiläum. Schon 4 Monate später waren öffentlicher Boykott der Kauf- und Warenhäuser und Repressalien der finanzierenden Banken gemäß der nationalsozialistischen Ideologie tragischerweise angesagt und führten bei den jüdischen Warenhäusern quasi zur Enteignung.
Auch wenn die Arisierung noch einmal speziell vorgestellt werden soll, schon einmal an dieser Stelle das Tietzhaus Leipzigerstraße mit dem Zugang Krausenstr 44/49 als Posteingang für die hier nun vorübergehende Einrichtung der HERTIE – ZENTRALVERWALTUNG.
27.02.2017 TIETZ WARENHÄUSER 18. Fortsetzung
Menüpunkt Konzernaufbau Leonhard und Oscar Tietz
Fortsetzung Oscar Tietz
Absenderfreistempel dokumentieren aber auch die Arisierung zur Waren- und Kaufhaus G.m.b.H. HERTIE am Standort Leipzigerstraße und dazu ein eingeschriebener Ortsbrief aus dem Jahr 1943 und eine Ortsrohrpostkarte aus dem Jahr 1940 mit jeweils portogerechter Freimachung. Die Hertie-Zentralverwaltung war aber zu dieser Zeit aus dem Warenhaus mit Postanschrift Krausenstraße umgezogen in den Postamtsbereich SW 68 (Kreuzberg).
die Leipzigerstraße nun zugehörig Postamtsbereich C 2
Auf Einladung der Banken (!) 1933 in Abstimmung mit dem Reichswirtschaftsministerium wurden den Tietz- Geschäftsführern zur „Vereinfachung der weiteren Verhandlung zur Geschäftsaufgabe 1933“ im Hotel Adlon, Berlin gleich die Pässe abgenommen, was wahrscheinlich den nötigen Nachdruck der Akzeptanz zum Ausstieg aus der Geschäftsführung erzeugte. Erstaunlicherweise durfte der Name Hermann Tietz in Hertie als Warenhausname weitergeführt werden.
Hotel Adlon Berlin Ansichtskarte aus dem Jahr 1915
Auf die Arisierung und hier speziell der Tietz Kauf- und Warenhäuser wird später noch einmal detailliert eingegangen. An dieser Stelle zumindest zum Erhalt des Zusammenhangs noch die Vorstellung von 2 Ansichtskarten mit der Dokumentation von Tietz zu Hertie an der Leipzigerstraße in Berlin und gleichzeitig ist damit auch der Erweiterungsbau aus der Leipzigerstraße bis zum Dönhoffplatz zu belegen. Dazu auch die zugehörigen rückseitigen Eindrucksvermerke auf den Ansichtskarten.
An dieser Stelle noch einmal ein Blick über den Dönhoffplatz auf das Warenhaus Tietz – Hertie mit der neuen Front durch den Erweiterungsbau.
Zurück zum Beginn des 20. Jahrhunderts und den weiteren Aktivitäten von Oscar Tietz in Berlin. Nach relativ rascher wirtschaftlicher Erholung wurden schon im Jahr 1902/3 die angedachten Pläne einer weiteren Filialgründung in Berlin Realität mit der Gründung am Alexanderplatz in Berlin, die in der nächsten 19. Fortsetzung unter dem Datum vom 5.3.2017 starten soll.
Die folgende Vorstellung der Filiale am Belle – Alliance –Straße 1-3 hatte ich ehemals primär Oscar Tietz zugeordnet, aber erst im Jahr im 1927 kam dieses Jandorf – Geschäftshaus in den Besitz der Hermann Tietz OHG. Dennoch habe ich die folgende Abhandlung belassen, die ursprünglich eine Warenhausgründung von Adolf Jandorf aus dem Jahr 1897/98 war und schon 1899 erweitert wurde.
vorstehend der Belle – Alliance – Platz zur Zeit der Jahrhundertwende und nachfolgend das Tietz – Warenhaus nach dem Erwerb des Warenhauskonzernes von Adolf Jandorf mit sechs weiteren Geschäftshäusern in Berlin im Jahr 1926/27.
folgend die arisierte Perspektive und zugehöriger Rückseitendruck der Ansichtskarte
Dazu auch der Nachkriegsumbau nachfolgend und hier nach Umstrukturierung der Straßen die Lage nun am Mehringdamm (Belle-Alliance-Platz und die gleichnamige Straße wurden 1947 in Mehringplatz und –damm geändert). Gestempelt mit dem Maschinenstempel zu den Berliner Festwochen 1953 (nicht abgebildet) schiebt sich auch ein Brezelkäfer von VW auf der Ansichtskarte mit ins Bild
Auch die Francotypstammkarte mit Auslieferungsdatum vom 11.4.1929 an das Tietz – Kaufhaus an der Belle – Alliance – Straße dokumentiert eine recht wechselvolle deutsche Warenhausgeschichte im Werbeklischee im und Orts- und Wertrahmenbild. Einmal wechselt das zugehörige Postamt über S 59 zu S.W.29 (1934) und erhält sogar noch die Postleitzahl 1 im neuen Zweikreisortsstempel am 31.1. 1945 (!) und Bezirk N 54.
Die Rückseite bezeugt das Ende bei Tietz unter Druck des nationalsozialistischen Regimes zum 5.10.1933 und auch eine Fortführung zunächst unter UNION Vereinigten Kaufstätten G.m.b.H. erfolgt noch zum März 1934. Das Kaufhaus wurde dann aber unter HERTIE weitergeführt. Die Francotypmaschine wanderte wohl kriegsbedingt am 18.2.1945 in das Tietz – Hertie – Union - Kaufhaus in die Brunnenstraße 19 – 21 zugehörig Postbezirk N 54 und dazu die Ansichtskarte in der UNION – Vereinigten Kaufstätten – Version.
Zunächst noch eine Geschäftspostkarte mit dem arisierten Kaufhaus Tietz als UNION am Standort Brunnenstraße aus dem Jahr 1942.
Vermutlich war das ehemalige Tietzhaus in der Belle – Alliance – Straße beim verheerenden Luftangriff der Alliierten mit 900 viermotorigen Bombern am 3. Februar 1945 ebenso wie das gesamte umgebende Stadtgebiet weitestgehend zerstört worden und eine Verlagerung des notdürftigen Kaufhausbetriebes mit evtl. Restbeständen erfolgte wohl in die Filiale an der Brunnenstraße Ecke Veteranenstraße. Dieses Warenhaus stammte übrigens ebenfalls aus der Übernahme der Jandorf - Warenhäuser zum Jahr 1927 durch die Tietz OHG.
Jandorf hatte dieses Warenhaus übrigens im Jahr 1904 mit den Architekten Lachmann & Zauber erbaut. Das Warenhaus war im 2.Weltkrieg praktisch unzerstört geblieben. Zu DDR – Zeiten wurde es das „Haus der Mode“ und nach der Wiedervereinigung wurde die Treuhand hier aktiv und der Käufer Jacob Schultz hat nach Internetrecherche seit 2 Jahrzehnten anscheinend ein Vermarktungsproblem mit diesem denkmalgeschützten Bau. Auch die Wiedervereinigung Deutschlands wäre ein höchst interessantes Thema der Ausarbeitung und dazu zumindest einmal an dieser Stelle ein Ensemble von Absenderfreistempel aus den Jahren 1992 bis 1999 mit Hinweis zur Treuhand und Detlev Rohwedder aus der neuen gemeinsamen Hauptstadt Berlin.
05.03.2017 TIETZ WARENHÄUSER 19. Fortsetzung
Menüpunkt Konzernaufbau Leonhard und Oscar Tietz
Fortsetzung Oscar Tietz
Im Jahr 1903 plante Oscar Tietz seine zweite Filiale in Berlin und wählte den Standort am Alexanderplatz, der zu diesem Zeitpunkt trotz historischer Mitte von Berlin seinen Konkurrenten eher als unattraktiv und gewagt für ein Warenhaus erschien, denn die geschäftlichen Straßenzüge zogen eher von hier aus in den attraktiveren Westen. Aber an den nordöstlichen Teil des Alexanderplatzes ragte ein Häuserblock frontseitig mit teils schäbig gewordenen und baufälligen älteren Bauten, die sich damals in die Alexanderstraße und den Königsgraben fortsetzten und relativ günstig zu erwerben waren. Die folgende Ansichtskarte wirft einen Blick über den Alexanderplatz auf die Frontseite des schon errichteten Warenhauses Tietz und die Schaufensterfront findet ihre Fortsetzung über abgerundete Ecken in den Königsgraben dem Fernbahnhof benachbart und in die belebte Alexanderstraße.
Günstig war allerdings der nahe Fernbahnhof und die Stadtbahnstation und dazu noch eine Ansichtskarte (gestempelt im Jahr 1909 und damit 4 Jahre nach Geschäftseröffnung) mit Blick auf den Bahnhof und in die Königstraße und rechtsseitig das Warenhaus Tietz.
Der zunächst angedachte Erwerb des Verwaltungsgebäudes der Gebr. Aschinger am Alexanderplatz war Oscar Tietz eine zu hohe Investition und die kritisch betrachtete Ersatzentscheidung im nordöstlichen Teil des Alexanderplatzes wurde alsbald durch das Tietzhaus deutlich und erfolgreich aufgewertet. Weitere Geschäftshäuser siedelten sich „magnetisch angezogen“ in der Nachbarschaft an und straften eigentlich eindrucksvoll die polemische Front des Einzelhandels gegen die Warenhäuser sinnfällig der Lüge. Dazu beispielhaft das Textilkaufhaus C&A BRENNINKMEYER im Jahr 1911.
Die Warenhäuser hatten auch niemals mehr als 5% vom Gesamtumsatz zu verzeichnen und waren häufig Motor der ersten modernen Stadtentwicklungen. Die Nationalsozialisten griffen diese beliebte und öffentlich teils antisemitisch besetzte Polemik begierig auf, um auch erfolgreich wahltaktisch den Mittelstand zu umwerben. Nachfolgend der Architektenplan zum Erd- und Obergeschoss mit der umfassenden Schaufensterfront vom Königsgraben bis zur Alexanderstraße mit den abgerundeten Ecken (DEUTSCHE BAUZEITUNG 28.4.1906). In der unglaublichen Bauzeit von 12 Monaten konnten die Architekten Cremer & Wolkenstein das Warenhaus zum Herbst 1905 seiner Bestimmung übergeben.
dazu noch die Ansichtskarte (gestempelt 1912)
und mit Blick in die Alexanderstraße
Schon im obigen Grundrissplan ist der innen liegende Lichthof vom Erd- zum Obergeschoss erkennbar und dazu nach folgend die Ansichtskarte gestempelt im Jahr 1910.
und der obligatorische Erfrischungsraum durfte natürlich nicht fehlen (gest. 1912)
aber auch die Kinderbetreuung während der Einkaufszeit war keine IKEA- Erfindung
Der Aufbau eigener Lebensmittelabteilungen und Betreiben von eigenen Fleischereien entwickelten sich zu absoluten Verkaufsmagneten in der städtischen Einkaufsszene.
Die Filiale Alexanderplatz wurde sofort wirtschaftlich ein großer Erfolg und schon schnell wurden angrenzende Grundstücke zur Erweiterung in der Alexanderstraße und im Königsgraben hinzu erworben. Das Museum im ehemaligen Wohnhaus des Dichters Gotthold Ephraim Lessing im Besitz von Fiskus und Kaiser im Königsgraben stand der Erweiterung zwar im Wege, aber eine großzügige Spende für ein Sanatorium mit möglicher Nutzung als Kriegslazarett erleichterte dann doch die baulichen Voraussetzung zur Erweiterung des Warenhauses! Das Warenhaus Tietz wurde am Alexanderplatz zum Magneten und weitere Einzelhandelsgeschäfte kamen mit Filialgeschäften hierher und ein neues Kaufzentrum in der rasch wachsenden Stadt Berlin hatte sich etabliert! Im Jahr 1907 starb Hermann Tietz als Namensgeber und stets hilfsbereiter Freund der Familie und des Konzerns von Oscar Tietz.
noch einmal Absenderfreistempel und 1904 ein persönliches Schreiben HERMANN TIETZ
11.03.2017 TIETZ WARENHÄUSER 20. Fortsetzung
Menüpunkt Konzernaufbau Leonhard und Oscar Tietz
Fortsetzung Oscar Tietz
An dieser Stelle ist auch ein Blick auf die Familie Tietz in Berlin zu richten mit den Eltern Betty und Oscar und den Kindern Georg, Martin und Elise. Verständlicherweise war das Augenmerk der Eltern auf die Ausbildung zur möglichen Übernahme und Integration in den Geschäftsbetrieb ausgerichtet und eine absolut lesenswerte Lektüre ist das Buch von Georg Tietz als dem Ältesten der Geschwisterreihe mit seiner Geschichte einer Familie und ihrer Warenhäuser – HERMANN TIETZ aus der deutschen Verlagsanstalt Stuttgart 1965.
Georg Tietz hatte seinen teils wechselhaften Schulweg über München, Berlin nach Wetzlar und nach erfolgreichem Abitur begann die Studien- und parallel die „Lehrlingszeit“ im Berliner familiären Warenhausgeschehen und schon hier war sein Talent zum zukünftigen Geschäftsmann erkennbar. Dies wandelte sich in dem anschließenden Aufenthalt in Paris, der sich von geplanten 6 Monaten zu 2 1/2 Jahren auswuchs, vom Erfahrungssuchenden zum selbständigen Kaufmann mit Millionenumsätzen und er avancierte auch mit dem Vater in Berlin und seinem Onkel Leonhard in Köln zum eigenständigen Geschäftspartner! Nur ungern verabschiedete er sich aus dem Pariser Privat- und Geschäftsleben. Danach war noch eine Erfahrungsreise in die USA angesagt, in der Georg Tietz in seinem jugendlichen Geschäftsdrang noch in einer Anstellung die „Nase in das dortige Börsengeschäft“ steckte, bis ihn der Vater Oscar nach 1 1/2 Jahren dringend telegrafisch zurück nach Berlin beorderte. In der Leipzigerstraße war mittlerweile in neuen Räumen die Selbstanfertigung von Textilien etabliert worden, Filialen in Berlin und Gera waren vergrößert worden und in der Textilstadt Plauen etablierte nun Georg Tietz erfolgreich ein Einkaufshaus mit der Zentralfunktion für die Tietzhäuser noch vor dem 1.Weltkrieg.
In dieser expandieren und allgemein wirtschaftlich florierenden Zeit kurz vor dem 1. Weltkrieg erlaubte sich das Ehepaar Betty und Oscar Tietz eine Indienreise, übertrugen ihrem Sohn Georg die Generalvollmacht und mit voller Wucht traf ihn gleich und sofort die Geschäftsverantwortung. Unmittelbar in dieser passageren Alleinverantwortung stand Georg Tietz 23jährig sofort dem Versuch der Deutschen Bank mit Kommerzienrat Klönne in Berlin gegenüber, unter kurzfristigster Kreditkündigung die Umwandlung der offenen Handelsgesellschaft (OHG) in eine Aktiengesellschaft (AG) bei Tietz in Abwesenheit des Vaters zu erzwingen!
Deutsche Bank Berlin nachfolgend mit frühem Absenderfreistempel aus dem Jahr 1927.
Durch Vermittlung der weiteren Hausbank Hardy & Co. zur Disconto-Gesellschaft in Berlin und einer dortigen kurzfristigen Kreditzusage über 3 Millionen Reichsmark konnte Georg Tietz den Deal der Deutschen Bank glücklicherweise innerhalb von 4 Tagen abwehren und weitere Geschäftsbeziehungen zu dieser Bank beenden, die anscheinend ihren Geschäftsstil in dieser Form bis in die Gegenwart beibehalten hat. Oscar Tietz fand nach der Reiserückkehr den Erhalt seiner offenen Handelsgesellschaft und wusste zukünftig mit den Söhnen sein Warenhausimperium in erfolgreichen familiären Händen. Kaum beeinflussbare politische Zwänge waren aber andererseits eine unwägbare stete Begleitung im Warenhausgeschäft und sollen noch einmal unter einem eigenen Menüpunkt vorgestellt werden ebenso die Entwicklung der Einheitspreisgeschäfte und der Weg in die NS – Zeit.
Allerdings war die Disconto- Gesellschaft im Jahr 1920 nach Kriegsende übrigens ihrerseits gezwungen mit der Deutschen Bank zu fusionieren und dies erklärt den folgenden Absenderfreistempel aus dem Jahr 1931
Die folgenden Einkaufsquittungen aus dem Kaufhaus Tietz am Alexanderplatz in Berlin führen dann in das Jahr 1914 mit dem folgenschweren Beginn des 1. Weltkrieges.
Damit veränderte sich schlagartig das gesamte Privat- und Geschäftsleben der Bevölkerung mit schlechter Versorgung speziell in den städtischen Regionen, Hungersnöte und beklagenswerte Tote und Verletzte an den Kriegsfronten mit allseits unsäglichem Leid. Dazu eine Zeitungsnotiz zu kriegsbedingten Konsequenzen auch in den Kaufhäusern, die durch ihre direkten Einkaufserfahrungen noch am besten die Versorgung in den Städten bewerkstelligen konnten und teils ihre eigenen Produktionsstätten aus dem Textilbereich für Militärkleidung und Verbandsmaterial umstellen mussten.
Fahrstuhlführerinnen bei Tietz während des 1.Weltkrieges
Im Kriegsjahr 1917 tritt Sohn Georg im Alter von 28 Jahren in die Warenhausfirma offiziell geschäftsführend mit ein und die folgende Transportrechnung des Tietzhauses Berlin Alexanderplatz führt mit Datum vom 9.10.1919 in die Zeit des Kriegendes mit katastrophalen Verhältnissen in Deutschland.
Der 1. Weltkrieg ging für Deutschland und Österreich verloren, die Landkarten wurden zum Entsetzen der betroffenen und dort heimischen Bewohner neu gezeichnet, Reparationsleistungen belasteten Regierung und Bevölkerung massiv im ungeübten Demokratieversuch und politische Zersplitterung mit Orientierungslosigkeit bestimmten die teils entsetzliche Nachkriegszeit und legten wohl anscheinend damit bereits den Grundstein für einen unausbleiblichen Nachfolgekrieg. Freikorps, Stahlhelmverband und extreme Parteienlandschaft von „rechts nach links“ schwächten die junge Republik. Der gebildete Arbeiter- und Soldatenrates von Berlin rief zum Generalstreik im SPD-Organ “Vorwärts” vom 9. November 1918.
zerschossene Straßenbahndrähte am Alexanderplatz während des Generalstreik
Obige Ansichtskarte soll stellvertretend mit den Berliner Kampftagen im März 1919 vor dem zerstörten Kaufhaus Jandorf die orientierungslose politische Nachkriegssituation belegen. Der 1. Weltkrieg war vorbei, der Wille der politischen Kräfte und zersplitterten Parteien ohne Kaiser eine demokratische Volksvertretung und Verfassung zu schaffen, wurde angestrebt und in Weimar fern von den Wirren der Novemberrevolution 1918 und Straßenkämpfen in Berlin März 1919 unter heftigen Diskussionen verwirklicht. Kompromissentscheidungen waren eher die Regel als die Ausnahme und Mehrheitsentscheidungen zu akzeptieren, scheiterte häufig an eingeschränkten und intoleranten Sichtweisen. Hetzreden im Reichstag gehörten zur Tagesordnung und Mordanschläge erschütterten die junge Demokratie. Finanzminister Erzberger 1921, Außenminister Rathenau 1922 wurden Opfer und im letztgenannten Fall erleichterte ein Cabriolet den Mördern das Handwerk.
Brief Poststelle Nationalversammlung mit Gumminebenstempel auf R- Zettel Weimar 1
Schon der Weg bis zur Unterzeichnung des Versailler Vertrags als Diktat der Siegermächte mit alleiniger Kriegsschuldanerkennung und verbunden mit höchsten Reparationsleistungen ließ die Schwierigkeiten der kommenden deutschen Regierung erahnen.
Kriegsgewinnler, Hungersnöte, Wirtschaftskrisen und eine Hyperinflation waren kaum erträgliche Umstände und prägten und verunsicherten die Menschen über Depressionen bis hin zur Lebenslust solange „es noch gut geht“!
Die folgende Collage soll nur andeutungsweise die widersprüchlichen Aspekte dieser 13 jährigen Phase in Deutschland beleuchten.
Alte Wertvorstellungen kamen ins Wanken. Der Absenderfreistempel des Jugendlust - Verlages in Nürnberg soll stellvertretend das Erscheinungsbild der Jugend charakterisieren. Die Schriften und Kalender über die Kaiserzeit bis zum 3.Reich belegen sinnfällig Veränderungen von „romantischen Wandervögeln bis zum Kampfbund – von heimatlichen Lagerfeuerliedern bis zur antidemokratischen, militanten und nationalsozialistisch geprägten Jugendbewegung“. Das Berliner Volksblatt VORWÄRTS steht stellvertretend für die sozialdemokratische Parteientwicklung und -arbeit seit 1875 und hatte seinen Gegenpart in den SA – Verbänden bis hin zu Straßenkämpfen, hier belegt mit einem Sonderstempel zum Wehrkampftag der SA. Andererseits vermittelt das Straßenbild auf dem Kurfürstendamm den etwas mühsamen Weg in die motorisierte Welt der Nachkriegszeit. Da sahen die Bilder in den Weltmetropolen z.B. Paris, London und NewYork zeitgleich sicherlich schon ein anderes pulsierendes Großstadttreiben. Aber auch Reisebüros fanden wohl schon einen Geschäftsweg am Ende der 20er Jahre und das Kaufhaus Hermann Tietz warb bei den Frauen für die schicken neuen Modellhüte
und für das STAATS-THEATERS-BERLIN - hier Schiller-Theater Charlottenburg - werben Tietz und Grünfeld im Programmheft mit den obigen Ausschnitten gemeinschaftlich für die Vorstellung Die Geschwister von Goethe und Der zerbrochnene Krug von Kleist. Vielleicht lag die gemeinschaftliche Werbung an der Nähe beider großer Geschäftshäuser in der Leipzigerstraße 46-49 bzw. 20-22, eher wahrscheinlich ist die familiäre Verbundenheit Tietz – Grünfeld hier wohl mit anzuführen. Noch kurz vor dem 1. Weltkrieg verliebte sich Georg Tietz in Edith Grünfeld bei einer flüchtigen Begegnung im Pariser Pensionat seiner Schwester und erst nach den verworrenen Kriegszeiten fand dann die Hochzeit statt.
Der folgende Brief aus dem Warenhaus Tietz am Alexanderplatz mit Datum im Maschinenstempel vom 21.1.1924 führt dann mit der 5Pfennigfreimarke mit Korbdeckelmuster und der neuen Reichsmarkwährung unmittelbar in das Zeitgeschehen nach der Hochinflation.
18.03.2017 TIETZ WARENHÄUSER 21. Fortsetzung
Menüpunkt Konzernaufbau Leonhard und Oscar Tietz
Fortsetzung Oscar Tietz
Die folgenden beiden Ansichtskarten aus dem Jahr 1919 und ca. 1937 offenbaren im Zeitsprung von 30 Jahren nicht nur die Verkehrsentwicklung in Berlin am Alexanderplatz vom Pferd zum Auto sondern auch die Arisierung von Tietz zu Hertie.
Folgend ein Francotypstammkarten-Ausschnitt des Absenderfreistempels Hermann Tietz mit Einführung der C 875 Maschine am 6.3.1929 zugehörig Postamtsbereich C25 und dazu die Dokumentation der zu erwartenden Veränderung von 50 Jahre Tietz aus dem April 1932 zu HERTIE im März 1935 für das Haus Alexanderplatz.
Erstaunlich sind aber Zwischenänderungen des Klischees mit Datum vom 5.10.1933 und 27.2.1934 auf der oben genannten Francotypstammkarte mit einigen bemerkenswerten Ungereimtheiten, die diskussionswürdig sind und im speziellen Kapitel ARISIERUNG noch einmal vorgestellt werden sollen!
Auch ein Arbeitsbuch von Edith S. in NS – typischer Ausführung soll noch vorgestellt werden. Die dreimalige mehr oder weniger kurzfristige Beschäftigung im Kaufhaus Hertie am Alexanderplatz lässt auf befristete Einsätze der Kassiererin zu „Geschäfts – Stoßzeiten“ 1938 und 1939 schließen. Da wäre einmal das Weihnachtsgeschäft mit 14 tägiger Beschäftigung plausibel und auch Ende Januar die Aktion Weiße Wochen gefolgt von Pfingst- und ersten Sommeraktionen s. dazu auch die Wertheim Werbeklischees im Absenderfreistempel
Die folgenden Ansichtskarten dokumentieren noch einmal ca. 110 Jahre Alexanderplatz mit Blick auf den Viadukt der Stadtbahn als ausgewählte Perspektive
Oben ein früher Blick über den Alexanderplatz. Vor fast 120 Jahren bevölkern Fußgänger, Pferdegespanne und erste Straßenbahnen die Szene. Links das Gebäude der „Bierquelle Aschinger“ und rechts vor dem Bahnhof am Königsgraben zur S- Bahn nannte sich das Gebäude mit Geschäftszeile meines Wissens nach Haus am Platz der Zuschneide-Akademie und wurde zum Standort des Berolina-Hauses 1930. Die zugehörige Statue der BEROLINA stand dann unmittelbar vor dem Tietzhaus und ist etwas schwierig zu erkennen.
Vorstehende Ansichtskarte belegt den Neubau ALEXANDERHAUS als „Zwillingsbau zum Berolinahaus“ und beide Bauten waren durch Peter Behrens als Architekt zwischen 1929 und 1931 realisiert worden im Zusammenhang der Neugestaltung des Alexanderplatzes. Aschinger und die Gasag fanden hier ihren neuen Standort und die Berolina Statue hatte ihren neuen Platz.
Das Detailbild offenbart den Wertheimbau und die Inschrift des Viadukts zeigt HERMANN TIETZ am Alexanderplatz.
Nachfolgende Ansichtskarte in fast gleicher Perspektive dokumentiert links noch das Alexanderhaus von 1930 mit der GASAG und Blick auf die Nikolaikirche im Hintergrund und rechts noch angedeutet das Tietzgebäude vor dem Berolinahaus. In den Neubau des Berolinahauses zog übrigens C & A als Geschäftszeile in das Erdgeschoß und das 1. Obergeschoss um.
zur Dokumentation ein Briefbeleg der GASAG
auch Gassparen im Freistempelklischee aus dem Jahr 1944 sollte zum Sieg verhelfen und trifft damit eine Aussage, die für die heutige Generation sicherlich erklärungsbedürftig wäre
im Detail nun aber WERTHEIM und Inschrift auf dem Viadukt HERTIE am Alexanderplatz
die weitere Vorkriegsansichtskarte wirkt zur vorherigen erneut täuschend ähnlich
aber WERTHEIM mutiert im Detail zur arisierten allg. Warenhandelsgesellschaft AWAG
Die drei vorstehenden Ansichtskarten sind oberflächlich betrachtet Standardansichten des Alexanderplatzes auf das Viadukt der Stadtbahn gebaut in den Jahren um 1883 auf dem zugeschütteten Königsgraben und hier mit Bahnhof Alexanderplatz als Hochbahn konzipiert. Die Detailbilder daraus dokumentieren aber dann Warenhausgeschichte am Alex aus dem begrenzten Zeitraum der Jahre 1930 bis 1937. Einmal belegen Alexander- und Berolinahaus als Zwillingsbauten von Behrens das Jahr 1929/31, die Schriftzüge von WERTHEIM und HERMANN TIETZ nur noch die Zeit bis 1933, WERTHEIM und HERTIE waren dann noch bis 1937 möglich bis der Zustand AWAG und HERTIE in den NS – Zeiten auch für Wertheim erreicht war. Die detaillierte Ansichtskartenbetrachtung offenbart häufig interessante Zeiterkenntnisse und sind preiswerte kleine historische Dokumente.
Dazu noch ein früher Absenderfreistempel der eigenen Poststelle Berlin W 114 im WERTHEIMHAUS aus dem Kaufhaus Leipzigerstraße und mit Datum vom 6.8.1927 und der Absenderfreistempel der arisierten Mutation zur AWAG (ab 1937) Berlin W9 und damit aus der Filiale am Potsdamer Platz.
Der Absenderfreistempel der AWAG stammt aus dem Jahr 1941, die Versorgungslage der Bevölkerung wurde zunehmend schwieriger und der NS – Staat war stillschweigend froh über die notwendigen und noch möglichen Versorgungsstrukturen der Waren- und Kaufhäuser für die städtische Bevölkerung. Mit Stalingrad zeichnete sich die Kriegswende ab, die alliierten Luftangriffe und Bomberverbände hinterließen Spuren der Vernichtung unter der Zivilbevölkerung und den Gebäuden und die Straßenkämpfe der Eroberung prägten das Endbild der Ruinen.
Ein Blick aus einem zersplitterten Glasfenster auf den Alexanderplatz der Nachkriegstage dokumentiert das zerstörte Kaufhaus Tietz – Hertie. Ein Eingangsschild mit Schriftzug Hertie ist erkennbar neben einem einzigen dekorierten Schaufenster und Schuttberge finden sich aufgetürmt vor den Hausruinen. Straßenbahnen fahren wohl auf notdürftigen hergerichteten Gleisanlagen
Das geheime Potsdamer Abkommen bestimmte dann im August 1945 die wesentlichen Grundzüge der Siegermächte für den Umgang mit Deutschland und seine zukünftige Gestaltung.
An dieser Stelle soll zunächst nur mit einigen philatelistischen Beispielen die geographische Konsequenz vorgestellt werden mit Franz.-Zone, Amerikanische Zone, Amerikanischer Sektor, Russische Zone, sowjetische Besatzungszone Deutschlands, Englische Zone, um nur einige diesbezügliche Bezeichnungen vorzustellen.
und Berlin wird zur geteilten Stadt
Vorstehend Berlin mit seinen Sektorengrenzen als Ausschnitt einer Archivkarte vorgestellt in der Ausgabe der Deutschen Post „ 10 Jahre Deutsche Einheit“.
Die folgende Ansichtskarte führt dann in die Neugestaltung des Alexanderplatzes in der Demokratischen Republik Deutschland und damit mit der Handelsorganisation zum HO – Kaufhaus und am Viadukt der S – Bahn wirbt nun die Zeitschrift NEUES DEUTSCHLAND
und auch dazu gibt es einen entsprechenden Detailausschnitt
25.03.2017 TIETZ WARENHÄUSER 22. Fortsetzung
Menüpunkt Konzernaufbau Leonhard und Oscar Tietz
Fortsetzung Oscar Tietz
Bevor es zu Oscar Tietz und seinem Warenhauskonzern im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts weiter gehen soll zunächst aber noch ein zusätzlicher Ausblick auf den Alexanderplatz und durchaus auch auf das dortige Kaufhausgeschehen. Damit bleibt ein Stück deutsche Geschichte für diesen Platz zumindest diesbezüglich orientierend im Gesamtblick erhalten. Mit Ende des 2. Weltkrieges war der Alexanderplatz ein Trümmerfeld und die Kaufhäuser Tietz und direkt benachbart Wertheim Ruinen. Im Alexanderhaus fand im Jahr 1952 dann das HO – Warenhaus seine Bleibe als Ersatz für den zerstörten Tietz – Hertie – Bau und dazu ein Schreiben aus dem Jahr 1955 und eine entsprechende Ansichtskarte und auch ein passender Absenderfreistempel dokumentieren diese Phase bis in das Jahr 1969.
Ab Mitte der 1960er Jahre wurde erneut der Alexanderplatz in der Hauptstadt der Demokratischen Republik Deutschland großzügig überplant und dies wurde durchaus auch philatelistisch gewürdigt sowohl mit amtlicher als auch privater Ganzsache und einer Briefmarkenausgabe.
Erbaut wurden das Hotel „Stadt Berlin“, das Haus des Lehrers, das Haus der Elektroindustrie und der Fernsehturm in der Nähe - damals 1969 der zweithöchste der Welt - durfte dazu in der direkten Nähe nicht fehlen und auch das Kaufhaus wurde etwas nordöstlich versetzt vom ehemaligen Tietzhaus neu errichtet. Dazu hier ein Ansichtskartenblick auf den neu gestalteten Alexanderplatz mit Blick auf das Hochhaus Hotel „Stadt Berlin“ rechts, das Kaufhaus nun in der Organisationsform CENTRUM der HO im Hintergrund und links das Berolinahaus.
folgend aus der Nähe das Kaufhaus CENTRUM eingehüllt in einer strukturlosen Wabenarchitektur
Solche strukturlosen Bauwerke in der Kaufhausarchitektur waren zu der damaligen Zeit gleich ob in West- oder Ostdeutschland beliebt und aus den Bauten von Horten u.a. hier passend dazu das bilka – Kaufhaus in Berlin-Charlottenburg.
Nachfolgend ein Brief mittels ZKD (Zentraler Kurierdienst) aus dem Warenhaus CENTRUM am Alex und der zugehörigen HO – Betriebspoliklinik mit Datum vom 22.9.1965 an den Rat des Stadtbezirkes Weissensee und der dortigen Abt. Gesundheits- u. Sozialwesen.
1970 öffnete das CENTRUM – Warenhaus am Alex seine Türen und war das größte Kaufhaus der DDR geworden. Die große Lebensmittelabteilung wurde stark frequentiert und das neue Warenhaus ersetzte damit erfolgreich das notdürftig ehemalige HO – Kaufhaus im Alexanderhaus von 1930, das eigentlich für einen solchen Geschäftsbetrieb wenig geeignet war.
1989 wurde im wahrsten Sinne auch ein gesamtdeutsches Jahr mit dem Mauerfall in Berlin
Findet 1986 noch die martialische Feier der DDR zum 25jährigen Jubiläum des antifaschistischen Schutzwalls statt, hier festgehalten auf der Sondermarke mit Kampfgruppen der Arbeiterklasse und Mitgliedern der Freien Deutschen Jugend, so öffnet sich 1989 überraschend die unselige Mauer wie ein „Schweizer Käse“ in der optimistischen Arbeit der „Mauerspechte“ (Dt. Maximumkarte Edition Maxiphil). Das Centrum- Warenhaus übernahm die Kaufhof Holding und ein zunächst geplanter Hochhausneubau als Ersatz wurde verworfen. Ab dem Jahr 2005 wurde unter dem Architekten Josef Paul Kleihues dann zur GALERIA KAUFHOF bei laufendem Geschäftsbetrieb erfolgreich umgebaut und erweitert.
Erneut kam es dadurch unter gesamtdeutschen Aspekten zu baulichen Veränderungen des Alexanderplatzes, die auf der folgenden Ansichtskarte vom nahen Fernsehturm zu erkennen sind.
Genau im Schatten der Turmspitze mit seinen Betriebsräumen liegt das Kaufhaus CENTRUM in seiner umgebauten Form durch den Architekten Josef Paul Kleihues zur GALERIA KAUFHOF und dazu die Vorderseite eines Warengutscheines
Dazu existiert ein überaus informatives Buch seines Sohnes im jovis Verlag, Berlin aus dem Jahr 2007 und daraus stammt folgende Aufnahme mit Blick auf GALERIA Kaufhof und links das renovierte Berolinahaus in dem auch C&A traditionell sogar erneut wieder eine Bleibe gefunden hat.
Mit dem Kaufhof als Nachfolgegesellschaft der ehemals Leonhard Tietz AG schließt sich somit ein weit geschlagener und zumindest familiärer historischer Bogen zur Warenhausgeschichte am Alexanderplatz in Berlin.
Noch eine Impression zu 200 Jahre Alexanderplatz Berlin
In der weiteren Vorstellung zu Oscar Tietz in Berlin geht es aber zurück in die Anfangsjahre des 20. Jahrhunderts und im Jahr 1905 wird die Filiale an der Frankfurter Allee in Berlin eröffnet. Dies war auch das Jahr des neuen Tietzhauses in München am Bahnhofsplatz, aber zunächst sollen der Übersichtlichkeit wegen noch die Aktivitäten in Berlin vorgestellt werden, auch wenn dies nicht in der Breite wie zu den großen Häusern Leipzigerstraße und Alexanderplatz erfolgen kann. Zu den Häusern Tietz Leipzigerstraße, Alexanderplatz und Frankfurter Allee gab es dann auch eine passende Reklamemarke mit dem TIETZ LOGO.
31.03.2017 TIETZ WARENHÄUSER 23. Fortsetzung
Menüpunkt Konzernaufbau Leonhard und Oscar Tietz
Fortsetzung Oscar Tietz in Berlin
Oscar Tietz eröffnete in Berlin im Kaufhausboom Anfang des 20. Jahrhunderts rasch eine weitere Filiale in der Frankfurter Allee in Berlin - Friedrichshain. Dieser Straßenzug zog als Fortsetzung der Frankfurter Straße vom Alexanderplatz nach Osten. Dazu ein Kartenausschnitt aus dem Jahr 1902.
folgend Kaufhaus Tietz mit den Hausnummern 5-7 und imposant der Schriftzug auf der Erkerspitze
Oscar Tietz hatte im Jahr 1908 die Gebäude von Max Mannheim erworben, umgebaut und vergrößert. Max Mannheim hatte hier erst im Jahr 1905 sein Geschäftshaus errichtet und im Jahr 1906 erweitert.
Zur Automation der Postabfertigung wurde in der Filiale Frankfurter Allee die Francotypmaschine C 899 eingesetzt und war zugehörig dem Postamtsbezirk O 34 (Petersburgerstraße).
Die zugehörige Stammkarte mit Erstverwendungsabschlag vom 11.3.1929 verrät mit dem Klischeewechsel vom 30.3.1935 die Arisierungsvariante zu HERTIE Waren- und Kaufhaus Gesellschaft m.b.H. Auch diese Stammkarte wird noch einmal mit einigen interessanten Details im vorgesehen Abschnitt ARISIERUNG vorgestellt.
Vorstehend der Rückseiteneindruck der nachfolgenden Ansichtskarte mit der Wandlung zum Hertiekaufhaus und dazu noch die entsprechende Vorderansicht.
Die Tietzsignatur im Dacherker ist entfernt, der Hertieschriftzug verschwindet fast im Sims des 3. Geschosses und der fast identische Blickwinkel der obigen Aufnahmen belegt die zwischenzeitlich erbaute U – Bahn Station im Bürgersteig vor der belebten Schaufensterfront. In späteren Ansichtskarten taucht dann auch wieder der senkrechte Schriftzug aber mit Hertie im Dacherker auf.
Oscar Tietz war höchst aktiv im Ausbau seines Geschäftsbetriebes hin zum größten Warenhauskonzern Europas als Eigentümer in Form einer OHG (offene Handelsgesellschaft) und die günstigsten Geschäftslagen waren in den Städten natürlich schon in der Regel besetzt. Er suchte demnach nach preiswerten auch älteren Geschäftshäusern, die zum Verkauf anstanden und verwirklichte hier sein Kaufhauskonzept. Dies war bis dato bei allen vorgestellten Häusern so und ein weiteres entsprechendes Paradebeispiel folgt mit der Niederlassungsfiliale Wilmersdorferstraße 119 in Berlin. Das Warenhaus Tietz nachfolgend auf der Wilmersdorferstraße Ecke Pestalozzistraße und hier einmal mit ungewohnter und schon fast dezenter Beschriftung im Sims über den Eingangstüren mit HERMANN TIETZ.
In diesem Fall handelt es sich ähnlich der Vorstellung des Tietzhauses an der Belle – Alliance – Straße um einen Übernahme zum Jahr 1927 eines ursprünglichen Warenhauses aus dem Konzern Adolf Jandorf! Aber Adolf Jandorf war nicht der erste Begründer eines Warenhauses an diesem Standort. Im Jahr 1894 nach Ausbau der Wilmersdorferstraße hatte hier das Kurzwaren- und Manufakturgeschäft von Graff & Heyn seinen Geschäftsbetrieb aufgenommen.
Berlin und Charlottenburg waren 1894 örtlich noch deutlich auch durch landwirtschaftliche Flächen getrennt, die Straßenverhältnisse waren noch etwas abenteuerlich und es gehörte schon Zuversicht in das kaufmännische Entwicklungspotential dieses Standortes. Graff & Heyn hatten wohl ein entsprechendes Vorstellungsvermögen, mieteten zunächst in der Wilmersdorferstraße 118 das Erdgeschoss an (Abbildung siehe oben) und behielten in jeder Hinsicht Recht. Charlottenburg entwickelte sich auch bevölkerungsmäßig dynamisch und die Anbindung an das Verkehrsnetz sammelte sich in der Wilmersdorferstraße aus allen Seiten, örtlich getrennte Stadteile wuchsen zusammen und dazu ein Fahrschein zu 10 Pfennig
Die zunächst angemieteten Räume mit Beschränkung auf Manufaktur- und Kurzwarengeschäft waren rasch zu klein, das Gebäude wurde durch Graff & Heyn 1896 sogar erworben und schon 1897 erstmals umgebaut und mit einer Geschirr- und Lebensmittelabteilung erweitert unter Einbeziehung nun von Keller, Erdgeschoß und 1.Etage.
dazu eine Geschäftspostkarte aus dem März 1902
die Rückseite offenbart noch allein den Standort Wilmersdorferstraße 118 im achten Geschäftsjahr
08.04.2017 TIETZ WARENHÄUSER 24. Fortsetzung
Menüpunkt Konzernaufbau Leonhard und Oscar Tietz
Fortsetzung Oscar Tietz in Berlin
Geradezu rasant entwickelte sich die Umsatzsituation und Graff & Heyn erwarben das Nachbargrundstück Wilmersdorferstraße 119 für einen Erweiterungsbau im Jahr 1905. Aber schon relativ kurzfristig zum Jahr 1912 wurde ein Gesamtneubau mit den Architekten Hart & Lesser, Berlin unter Einbeziehung der Wilmersdorferstraße 118, 119 und hinein in die Pestalozzistraße mit dem Nachbargrundstück Nummer 32 verwirklicht.
Die obige Bildansicht hat den Gesamteckneubau Graff & Heyn mit einem etwas dunkleren Farbton hervorgehoben. Erstaunlich ist dann aber die Geschäftsabgabe an Adolf Jandorf schon im Jahr 1914.
Adolf Jandorf hatte sich zusammen mit seinen Brüdern neben Wertheim und Tietz recht gut in Berlin im Warenhaussektor etabliert und der Standort Wilmersdorferstraße wurde nach dem Kaufhaus Des Westens sein zweitstärkster Umsatzträger. Er setze hier GEORG KARG mit relativ jungen Jahren als Geschäftsführer ein und mit dem Verkauf Januar 1927 an den Tietzkonzern wird dort der begabte Karg zum Chefeinkäufer. Sicherlich ahnte zu diesem Zeitpunkt die Geschäftsführung bei Tietz mit den Brüdern Georg und Martin Tietz und Schwager Hugo Zwillenberg noch nicht, dass relativ rasch Georg KARG im Jahr 1933 auch schon CHEF und im Jahr 1939 Besitzer ihres Unternehmens werden würde! Dazu das Geschäftshaus Wilmersdorferstraße in der arisierten Hertie – Version auf der nächsten Ansichtskarte.
Auch im Haus Wilmersdorferstraße war natürlich Postautomation angesagt und es wurde die Francotypstempelmaschine mit der Nummer C 941 angeschafft, die ihre Fertigstellung mit Abnahmeabschlag auf der Francotypstammkarte vom 22.3.1929 dokumentiert. Die Zuordnung zum Standort Wilmersdorferstraße ergibt sich hier mit dem Postamtsbezirk Charlottenburg 4. Rückseitige Klischeeänderungen werden noch einmal im Kapitel Arisierung vorgestellt. Zumindest aber an dieser Stelle schon im Kaufhaus Wilmersdorferstraße die Nachfolge- oder Zweitmaschine mit der Kennung C 30139 der Firma Francotyp.
Der Absenderstempelabschlag vom 3.5.1938 weist nun einen Zweikreisortstempel auf ebenfalls mit Berlin Charlottenburg 4 und im Werbeeinsatz nun die arisierte Hertieversion mit der Adresse und damit Wilmersdorferstraße 119 in Berlin – Charlottenburg.
Auf der nachfolgenden Postkarte wirbt Hertie im Jahr 1938 auch dann für die Herbstmode und die Dame von Welt trägt Hutmodell „Antilope“ zu 10,75 Reichsmark.
Die Rückseite der Hutreklame offenbart aber auch Standorthinweise zur Waren- und Kaufhaus G.m.b.H. HERTIE und von den 6 angeführten Filialen fehlt in dieser Homepagevorstellung noch der Standort Chausseestraße, der in einer der Fortsetzungen folgen soll. Zunächst aber noch ein Arbeitsbuch von Frau A. Hoffmann ausgestellt vom Arbeitsamt Berlin – Mitte.
Wie die Beschäftigungsnachweisseite verrät, war nur die erste Arbeitsstelle bei der LOEWE AG von 11 jähriger Dauer und anschließend bestanden nur noch kurze und wechselhafte Arbeitsverhältnisse und einer davon belegt die Hertiefiliale in der Wilmersdorferstraße 119. Vom 10. Dezember bis 24. Dezember 1938 war Frau A.H. vermutlich nur kurzfristig im Weihnachtsgeschäft als Verkäuferin eingesetzt worden und dort tätig.
Nachfolgend noch eine Geschäftspostkarte aus dem Filialgeschäft Wilmersdorfer Straße im Kriegsjahr September 1942.
Das weitere Schicksal an diesem Geschäftsstandort soll an dieser Stelle zumindest in Stichworten festgehalten werden. Im 2. Weltkrieg völlige Zerstörung des Warenhauses. Im Jahr 1950 notdürftige Inbetriebnahme bei Hertie im Erdgeschoß. Weitere bauliche Sanierung in den folgenden Jahren. Die Wilmersdorferstraße wird zur beliebten Einkaufsstraße mit einer frühen beispielhaften autofreien Fußgängerzone. Im Jahr 1997 kommt HERTIE zum KARSTADT – Konzern. Die Filiale Wilmersdorferstraße wird danach komplett umgebaut und feiert im Jahr 2006 ihr 100jähriges Kaufhausjubiläum (Zeitrechnung dazu hat sich mir absolut nicht offenbart) und im Internet wirbt ein schönes Foto für die Filiale. Leider bekam ich auf eine Copyrightanfrage keine Antwort, aber vielleicht schickt einmal ein Homepagebesucher ein schönes Foto zur Ergänzung vom Karstadthaus Wilmersdorferstraße!
Fortsetzung folgt und zurück zu Oscar Tietz und Standort Große Frankfurterstraße in Berlin.
13.04.2017 TIETZ WARENHÄUSER 25. Fortsetzung
Menüpunkt Konzernaufbau Leonhard und Oscar Tietz
Fortsetzung Oscar Tietz in Berlin
Nicht zu verwechseln ist die Filiale von Oscar Tietz an der Frankfurter Allee, die bereits vorgestellt wurde, von der Niederlassung an der Großen Frankfurter Straße 113/ Ecke Andreasstraße, die nun folgend kurz abgehandelt werden soll. Nach dem 2. Weltkrieg wurde übrigens die Frankfurter Allee mit der Frankfurterstraße zur Stalinallee im Jahr 1949 zusammen gefasst und der Teil ausgehend vom Alexanderplatz wurde 1961 in Karl-Marx-Allee umbenannt und der östliche Teil hinter dem Frankfurter Tor Platz wurde wieder Frankfurter Allee. Die Frankfurter Straße wurde historisch betrachtet die Einkaufsstraße der „einfachen“ Arbeiterfamilien. Zahlreiche jüdische Unternehmer und Händler etablierten sich hier und beispielhaft in der Großen Frankfurter Straße Nummer 32 das jüdische Untenehmen LEISER mit einer Produktions- und Verkaufsstätte mit einer besonders wechselhaften Unternehmensgeschichte einschließlich der Probleme in der NS – Zeit. Dazu ein Briefbeleg aus den Anfangs- und Neubeginnzeiten nach dem 2. Weltkrieg und nun mit der Zentrale in Berlin – Neukölln.
Der Kaufmann Max Mannheim baute hier Ende des 19. Jahrhunderts ein Geschäftshaus an der Frankfurterstraße 113, das er bereits nach kurzer Zeit an Adolf Jandorf verkaufte.
In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts brachte die Photographie einen äußerst beliebten Geschäftsartikel mit der Carte de Visite (CDV) hervor, der millionenfach produziert wurde und durch raffinierte Phototechnik es erlaubte Porträt- oder Personenbilder relativ preiswert herzustellen. Die „Visitenkarten mit Bild“ hatten in der Regel das Format 6x9cm und jedes größere Warenhaus hatte ein Atelier zur Herstellung dieser Fotos auf Kartonpapier eingerichtet und das Atelier verewigte sich in der Regel rückseitig mit Besitzer, Standort und teils auch Illustrationen des Kauf- bzw. Warenhauses. Handschriftliche Zahlenvermerke bedeuteten die interne Archivierung zur Nachbestellmöglichkeit. Dadurch sind die CDV – Fotokarten mit ihren Rückseiten häufig eine wunderbare Informationsquelle und dazu hier das Beispiel Adolf Jandorf. Alle seine Atelierstandorte werden festgehalten und die Straßenkennzeichnung mit Hausnummern sind vermerkt und in Berlin häufig auch der Bezirk und folgend in diesem Fall NO (nordöstlicher Bezirk) in Berlin für das Atelier in der Großen Frankfurter Straße 113. Das Geschäftshaus erwarb Adolf Jandorf im Jahr 1901 von Max Mannheim.
Das Kaufhaus Große Frankfurter Straße 113 / Ecke Andreasstraße war im Gegensatz zu den Warenhausbauten um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert im heutigen Sinne in der äußeren Architektur recht modern und schlicht konzipiert und erfuhr praktisch bis zur Zerstörung 1944 wenig Veränderungen weder bei Jandorf noch bei Tietz mit der Besitzübergabe zum Januar 1927.
das änderte sich auch in der arisierten Form UNION der Vereinigten Kaufstätten GmbH nicht
Auch für dieses Kaufhaus Tietz liegt eine Francotyp – Stammkarte vor zur Inbetriebnahme und Nutzung des Absenderfreistemplers C 893. Das Werbeklischee entspricht der allgemein eingeführten Form für die offene Handelsgesellschaft Hermann Tietz mit dem entsprechendem Logo und dem Werbespruch Was man braucht, kauft man bei HERMANN TIETZ . Wertrahmen in Form des Bogenrechtecks und Einkreisortsstempel BERLIN NO 18 und Erstverwendungsdatum vom 11.3.1929. Das zugehörige Postamt im nordöstlichen Stadtbezirk (NO 18) ist der Lichtenbergerstraße in Friedrichshain zuzuordnen und damit praktisch eine Parallelstraße zur Andreasstraße.
Auffällig auch in diesem Fall die Klischeeänderung zum 5.10.1933 noch unter Hermann Tietz und Werbespruch Das Kaufhaus für Alle! Dann zum 9.3.1934 die zu erwartende Klischeeänderung der Arisierung in UNION Vereinigte Kaufstätten G.m.b.H. Zum 7.3.1938 wurde dann eine Änderung im Ortsstempel dokumentiert unter Beibehaltung der Einkreisversion aber nun Postbezirk O 17 und damit war das zugehörige Postamt Schlesischer Bahnhof und Fruchtstraße 8 – 10.
Der Standort Franfurterstraße 113 wurde nach dem 2. Weltkrieg neu überplant und überbaut und meines Wissens nach ist in dieser Eckhauslage das Optikergeschäft Scherfling untergebracht. Ergänzende Informationen sind willkommen ebenso wie Fotoansichten.
Aber damit sind die Aktivitäten der OHG Hermann Tietz in Berlin noch nicht abgeschlossen. Erwähnenswert ist noch eine Kaufhausfiliale an der Chausseestraße in Berlin auch wenn hier in meiner Sammlung bis dato Belegstücke recht dürftig ausfallen.
Die Chausseestraße als Teil der früheren Oranienburger Vorstadt war ab dem Jahr 1865 mit einer Pferdestraßenbahn ausgestattet und gegen Ende des 19. Jahrhunderts erwarb der Kaufmann Wilhelm Stein das Grundstück Nummer 66 und errichtete ein 2geschossiges kleines Warenhaus. Schon im Jahr 1903 erweitere er durch Erwerb der Chausseestraße 65 sein Geschäftshaus. Auch Wilhelm Stein hatte eine photographische Abteilung in seinem Warenhaus eingerichtet und dazu eine vor- und rückseitige Version einer CDV – Fotokarte mit dem Standort Chausseestraße 65-66.
Ab dem Jahr 1908 firmieren die Hausnummern an der Chausseestraße neu und das Geschäftshaus W. Stein erhielt nun statt 65-66 die Hausnummern 70-71 und dies kann erneut mit einer solchen Fotovisitenkarte festgehalten werden.
Nachfolgend aber noch eine Lithographie gestempelt am 26.3.1899 mit der Warenhausansicht Chausseestr. 66
Im Jahr 1928 verkauft Wilhelm Stein dann sein Geschäftshaus an die OHG Tietz
Dieses Gebäude wurde Anfang 1929 durch einen Brand zerstört und von Tietz 5geschossig unter Einbeziehung Grundstück Chausseestraße 69 neu errichtet. Dazu nachfolgende Ansichtskarte bereits in der arisierten Form des HERTIE – Geschäftshauses und aktuell liegt hier wohl nun eine Wohnhausbebauung vor.
Fortsetzung folgt mit den letzten beiden Filialen in Berlin
23.04.2017 TIETZ WARENHÄUSER 26. Fortsetzung
Menüpunkt Konzernaufbau Leonhard und Oscar Tietz
Fortsetzung Oscar Tietz in Berlin
Mit der Übernahme aus dem Warenhauskonzern Jandorf mit allein 6 Filialen war die Tietz OHG in Berlin natürlich an die erste Stelle im Kaufhaussektor noch vor Wertheim gerückt. Auch die Niederlassung Kottbusser Damm ist damit noch anzuführen, die ebenfalls aus der Übernahme der Jandorf Kauf- und Warenhäuser resultierte. Im Jahr 1906 hatte Adolf Jandorf in Kreuzberg am Kottbusser Damm 1 den von der Berliner Terrain- und Bau AG erstellten Bau für ca. 3 Millionen Reichsmark erworben. Übrigens nach meiner Kenntnis der erste Eisenbetonbau in privater Hand. Nachfolgend das Warenhaus mit Übergang in den Besitz von Tietz und hier in der Schriftreklame ohne Hinweis auf den Namensgeber Hermann.
auch dazu dann die arisierte Weiterführung unter den Vereinigten Kaufstätten der UNION
Vom Berliner Standort am Kottbusser Damm 1 noch ein passender Absenderfreistempel in der arisierten Form der vereinigten UNION Kaufstätten GmbH.
Damit folgt nun ein weiteres und letztes Berliner Kaufhaus, das sich ebenfalls aus dem Jandorfkonzern in das Ensemble der Tietzwarenhäuser einreihte und das Flagschiff der Gebrüder Jandorf darstellte. Aber hier war zunächst noch 1905 zu Baubeginn Emden Söhne, Hamburg initiativ und Jandorf war ab 1906 beteiligt. Dies war zu dieser Zeit ein recht gewagter und überraschender Schritt in den Westen Berlins mit dem noch bis dato selbständigem Charlottenburg. Mit dem folgendem Bild nun die Vorstellung des Warenhauses an der Tauentzienstraße nach Übernahme durch die Hermann Tietz OHG als größter WARENHAUSKONZERN EUROPAS im EIGENBESITZ. Das Kaufhaus des Westens präsentierte und firmierte weiterhin aber unter seinem etablierten Namen auch bei Tietz.
Der Schritt von Adolf Jandorf mit seinen Brüdern in schnellen Verhandlungen Ende des Jahres 1926 alle ihre Kaufhäuser an die Tietz OHG zu veräußern, war nach der Zeitungsveröffentlichung im Dezember ein lebhaftes Tagesthema in Berlin und reichsweit in der Warenhauswelt. Vielleicht liegt hier eine unbekannte Informationslage zu Grunde, die auch den Warenhauskonzern M. J. Emden Söhne, Hamburg betrifft, ein Konzern aus dem A. Jandorf stammte und der teils auch in seinen Berliner Kaufhäusern bzw. zugehörigen Grundstücken involviert war und der ebenfalls überraschend im Jahr 1926 seine 19 Häuser und dies an die Rudolph Karstadt AG (s.a. Oberpollinger München) veräußert hatte!
Nach der Fusion im Jahr 1920 von Rudolph Karstadt und Theodor Althoff zur Rudolph Karstadt AG und ihrer Übernahme der Warenhäuser aus dem Emdenbesitz war der Schritt der Hermann Tietz OHG zur Erweiterung der Geschäftsgrundlage mittels Kauf von Jandorf für die Fachwelt allerdings recht logisch. Meines Wissens nach wurde der Kaufpreis nicht bekannt, dürfte aber im höheren 2stelligen Millionenbereich gelegen haben.
Allein das Kaufhaus des Westens wäre nun für sich allein schon ein umfangreiches Thema und zur Vorstellung geeignet, dies würde aber den Rahmen im Thema Tietz einfach sprengen. Zumindest zu diesem auch aktuell noch berühmten deutschen Kaufhaus aber auch ein philatelistischer Ausblick mit der Ausgabe von Privatganzsachen zur Korrespondenz schon zu „Germaniazeiten“.
Dazu noch eine Ansichtskarte gestempelt im Jahr 1943 mit Blick über den Wittenbergplatz auf das Kaufhaus des Westens und damit dann schon zu Hertiezeiten.
gegen Kriegsende war dann für das KaDeWe der Begriff Ruine durchaus gerechtfertigt
Aber der Aufbauwille in der 4-Sektorenstadt war ungebrochen und dies im Bereich der Westalliierten erfolgreich trotz Isolierungssituation und Insellage Berlins im sowjetisch besetzten Deutschlandteil. Die folgende Einkaufsquittung vom 24. August 1950 spricht damit schon vom Kaufhaus des Westens wieder als Kaufhaus der Weltstadt.
das nachfolgende Ensemble dokumentiert dann Absenderfreistempel über 70 Jahre KaDeWe
Weitere Modernisierungen und Umbauten führten zur Neueröffnung und dies festgehalten auf einer Ansichtskarte und einer Telefonkarte aus dem Jahr 1996
Damit möchte ich zunächst einmal Tietz und den Standort Berlin beenden. Auch hier ist nur ein Überblick möglich gewesen und es besteht sicherlich Raum für weitere Nachforschungen. Bevor es zu Oscar Tietz und seine Aktivitäten außerhalb von Berlin gehen soll – wenn auch in beabsichtigter reduzierter Form – so bleibt mir aus Berlin noch eine Frage an die Homepagebesucher. Tietz hatte wohl am Moritzplatz eine Filiale geplant, die aber nicht zur Ausführung kam. Dazu eine der vorhandenen Architektenzeichnungen von William Müller, Berlin aus der Zeitschrift DER BAUMEISTER im Verlag v. Georg D. W. Callway, München.
wohl aber findet sich dann Wertheim am Moritzplatz
vielleicht bekomme ich dazu noch eine Erklärung aus dem Kreis der Homepagebesucher
Die Reichshauptstadt und die Warenhäuser Tietz zählten zum Zeitpunkt der beginnenden NS- Ära 10 Stadtfilialen, die relativ vielschichtig mit Belegmaterial vorgestellt werden können. Die Leonhard Tietz AG mit ihrer Zentrale in Köln war schon Gegenstand der Vorstellung und es gab auch hier weitere Kölner Stadtfilialen, die aber im Gegensatz zu Berlin relativ selten ihren Niederschlag in der Literatur und im Ansichtskartenbereich gefunden haben. Zumindest soll aber an dieser Stelle noch einmal zum Vergleich mit Berlin auch ein Kölner Stadtfilialenensemble der Leonhard Tietz AG abgebildet werden.
Aus Gründen der Übersichtlichkeit möchte ich die weiteren Aktivitäten von Oscar Tietz außerhalb von Berlin in einem neuen Menüpunkt fortsetzen unter Oscar Tietz „reichsweit“.