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24.06.2017 TIETZ WARENHÄUSER 34. Fortsetzung
Einheitspreiskaufhäuser
Einheitspreiskaufhäuser waren nach Überwindung der Hochinflation in Deutschland eine Idee meist schon etablierter Warenhauskonzerne in den 20er Jahren, um festgelegte günstige Preise für alltäglich nützliche Waren in allen Filialen einheitlich den durchaus verarmten Käuferschichten anbieten zu können. Die Inflation brachte sogar die Absenderfreistempelversion des „Furtwänglers“ zu Fall und handschriftliche Wertangaben waren nur eine kurzfristige Episode und dies nur bei der Fa. GMINDER in Reutlingen.
Die Geldentwertung vollzog sich in rasanter Form und wurde zum fest verankerten Trauma der deutschen Bevölkerung bis in die Gegenwart.
Verarmung und Hoffnungslosigkeit waren keine Ausnahme und verlangten in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten auch im Warenhaussektor nach Anpassung und Veränderung.
Schon immer hatten die deutschen Warenhausgründer amerikanische Vorbilder sogar vor Ort studiert und entsprechende Ideen registriert und diese Anregungen in ihren Kaufhäusern verwirklicht. Auch zu dem niedrigpreisigem Kaufhaussegment gab es ein entsprechendes Vorbild in den USA. Im Jahr 1878 arbeitet im Laden von „Moore & Smith“ in Watertown - einem Stadtteil von NewYork - Frank Woolworth und während einer zeitgleichen Jahrmarktveranstaltung mit entsprechendem Publikumsverkehr richtet er einen 5 Cent – Tisch mit verschiedenen Waren in gleicher Preisstufe her, der ein viel beachteter Verkaufsschlager wurde. Mit dieser Idee machte der 26jährige Woolworth sich selbstständig und hatte zunächst einen Misserfolg zu verbuchen. In Lancaster - Pennsylvania gelang ihm dann der erste große Erfolg mit Ware in günstiger Einheitskalkulation in wenigen Preisklassen für täglich nützliche Dinge und dennoch bestmöglicher Qualität. Sein Bruder stieg mit ein und Woolworth expandierte innerhalb von 20 Jahren mit 96 Filialen quer durch die USA. Die Besitzer von Moore & Smith, sein Vetter und Bruder beteiligten sich, brachten weitere Filialen auf den Weg und im Jahr 1912 gründete sich aus diesem Pool die F. W. Woolworth Co. NewYork mit 596 Läden.
Im Jahr 1913 wird das Woolworth - Building N.Y. in Gegenwart des Präsidenten von Amerika eröffnet. Die „Woolworth-Idee“ verbreitet sich über Amerika hinaus und in Deutschland im Jahr 1926 startet in Berlin Woolworth und firmiert unter F.W.Woolworth Co. G.m.b.H. Leiter in Berlin wurde Strongmann bis zum Jahr 1933 dann folgte Keffer. Nächste deutsche Filiale war dann in Bremen angesagt und bis ca. 1933 etablierten sich schon 81 Geschäfte und davon allein 13 in Berlin!
Während der NS – Zeit zwangsverwaltet, gelingt in der Nachkriegszeit der Wiederaufbau. Im Jahr 1997 gibt es Woolworth übrigens nur noch außerhalb der USA und auch in Deutschland kann im Jahr 2000 eine Insolvenz nur durch Übernahme durch die H. H. Holding vermieden werden.
Zurück zu den wirtschaftlich schwierigen Zeiten der Weimarer Republik. Schon im Jahr 1925 ahnten wohl die deutschen Warenhauskonzerne den amerikanischen „Angriff" und brachten zügig eigene ähnlich gelagerte Konzepte auf den Weg.
Die Leonhard Tietz AG in Köln gründete als erstes deutsches Unternehmen im Jahr 1925 unter ihrem Vorstandsmitglied Franz Levy ein Kaufhaus für Waren des täglichen Bedarfs die EHAPE – EINHEITSPREIS – HANDELS – GESELLSCHAFT m.b.H. Mit 3 Millionen Mark Gründungskapital wurde 1927 die EHAPE zur Aktiengesellschaft und hatte im Jahr 1929 und drohender Weltwirtschaftskrise eine Kapitalerhöhung auf 6 Millionen Mark zur Folge. Dazu zumindest nachfolgend eine Ansichtskarte aus Wiesdorf (Stadtteil von Leverkusen) mit einer EHAPE – Filiale auf der Hauptstraße.
Erst die Detailvergrößerung verrät die Ehape mit ihrem Einstiegspreis zu 25 Pfennigen und dies neben der Filiale Kaiser`s Kaffeegeschäft. Letztere Warenhauskette wäre dann ein eigenes Thema bis hin zu Erivan Haub und Tengelmann. E. Haub hat übrigens kürzlich in Anwesenheit seiner Familie als einer der großen deutschen Briefmarkensammler seine PONY EXPRESS Sammlung im höheren 5stelligen Bereich erfolgreich in NewYork versteigert.
Zur Vervollständigung noch kurz das weitere Schicksal der EHAPE – EINHEITSPREIS – HANDELS – GESELLSCHAFT m.b.H. Als jüdisches Unternehmen war die Arisierung zwangsläufig zu erwarten und wurde der Mutterkonzern die Leonhard Tietz AG zum Westdeutschen Kaufhof, so firmierte die EHAPE ab 1937 unter RHEINISCHE KAUFHALLE AG. Nach dem 2. Weltkrieg wurde unter KAUFHALLE der Betrieb aufgenommen und zunächst erfolgreich geführt.
In den 80er Jahren wurde bilka aus dem Hertiekonzern eingegliedert und so kann vorsichtig formuliert, von einer Fusion der Ursprungsidee von Leonhard und Oscar Tietz gesprochen werden. Das operative Geschäft der Kaufhalle AG verbuchte schließlich Verluste und verschiedene Besitzerverhältnisse waren die Konsequenz. Nach einem italienischen Intermezzo sind Metro, WestLb und Provinzial Rheinland mit den Restbeständen beteiligt.
Zurück in die Zeit der Weimarer Republik zum Gründungszeitpunkt der EHAPE und Leonhard Tietz. Die Hermann Tietz OHG beschritt einen etwas anderen Weg in ihrem Warenhauskonzern. Man etablierte keine eigene Einheitspreisgesellschaft sondern veranstaltete mit anderen Reklameaktionen im Wechsel sog. EINHEITSPREISWOCHEN. Dazu 2 Aktionsbeispiele.
Die folgende Abbildung zeigt uns dazu auf einer Ansichtskarte den nächtlichen Platz an der Leipzigerstraße in Berlin vor dem Kaufhaus Hermann Tietz mit einer Einheitspreisaktion Mitte der 20er Jahre und die Leuchtreklame verweist vielfältig auf die Preisstaffel zu 95 Pfennigen und 1,90, 2,85 und 4,50 Reichsmark für zahlreiche Artikel des täglichen Bedarfs. Im Vordergrund über der Straßenkreuzung eine damals übliche und aufgehängte Zentralampel. Die erste Berliner Ampelanlage wurde übrigens 1924 in gleicher Form auf dem Potsdamer Platz installiert und auch hier waren die USA schon Vorbild der Verkehrsregelung seit Ende des 19. Jahrhunderts gewesen!
Hertie als Nachfolger der Hermann Tietz OHG gründete übrigens 1952 eine Niedrigpreiskette unter dem Namen bilka und war damit mit ca. 50 Filialen bis zum Jahr 1996 aktiv. Dazu eine Ansichtskarte aus Berlin – Charlottenburg mit bilka AM ZOO. Wie schon erwähnt übernahm später die KAUFHALLE AG die bilka Warenhauskette.
Zurück in das Jahr 1926. Auch die Rudolph Karstadt AG wurde aktiv und gründete die EPA
Der obige Absenderfreistempel der EPA – Einheitspreis Aktiengesellschaft aus dem Jahr 1934 benutzt den Stempel der Karstadt Hauptverwaltung und auch die Rückseite einer Geschäftspostkarte dokumentiert die gleich lautende Postanschrift mit Berlin NO 43 Neue Königstraße 28-36. Die gängigen angebotenen Waren stammten möglichst aus eigener Produktion, wurden gezielt für die Epa – Filialen verpackt und niedrigst kalkuliert. Der wirtschaftliche Erfolg war diesem Konzept in diesen schwierigen Zeiten in kürzester Zeit sicher mit einem Warenumsatz bis in 3stellige Millionenhöhe. Unter den Nationalsozialisten wurde das Einheitspreiskonzept zum Jahr 1937 gesetzlich unterbunden und zur offensichtlichen Abgrenzung erfolgte eine Umbenennung der Karstadt EPA – Häuser in KEPA – Filialen („Kepa war eben Keine Epa mehr“). Auch dazu ein Absenderfreistempel der Rudolph Karstadt AG für die Kepa genutzt im Jahr 1941.
Die neue Karstadt Hauptverwaltung war nun am Fehrbelliner Platz 1 und dazu oben eine entsprechende Ansichtskarte. Auch nach dem 2. Weltkrieg blieb die KEPA aktiv und wurde recht erfolgreich bis zur Auflösung der Kette im Jahr 1977 und Umgestaltung in Warenhäuser in Form der Karstadthäuser aber auch unter beginnender Spezialisierung z.B. Sporthäuser.
Dazu noch eine Paketkarte an die KEPA KAUFHAUS GMBH aus dem Jahr 1975.
Wenn auch kein Kaufhaus aus dem reinen Einheitspreissystem soll an dieser Stelle ein kurzer Blick dennoch auf die DEFAKA – Filialen geworfen werden, die in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten recht erfolgreich werden konnten. Der Kaufmann EMIL KÖSTER gründete zunächst eine Textilfirma in Hamburg, erwarb dann die DEUTSCHE BEAMTEN – EINKAUFS AG und fusionierte Mitte der 20er Jahre beide zur DEUTSCHE FAMILIEN –BEKLEIDUNGSGESELLSCHAFT – DEFAKA.
Nicht mit einer Einheitspreisgestaltung sprach die DEUTSCHE FAMILIEN - BEKLEIDUNGSGESELLSCHAFT gezielt ihre Käuferschicht an sondern durch spezielle Kreditierungsangebote wurde die Kaufentscheidung erleichtert und dem häufig knappen Familienbudget angepasst. Vermutlich war durch die gesellschaftliche Beziehung zur „Berliner Industrie- und Privatbank“ mit dem neuen jüdischen Besitzer Jakob Michael dieser Weg erleichtert und durch Emigration in die USA mit dortiger Geschäftsanmeldung wurde die DEFAKA über NS – und Kriegszeit erhalten und in der Nachkriegszeit bis zur Übernahme durch HORTEN noch recht erfolgreich.
Dazu eine Ansichtskarte mit der DEFAKA – Filiale in Magdeburg
Nachfolgend auf der Werbekarte aus dem März des Jahres 1936 der besondere Hinweis auf die Kreditmöglichkeit in 5 Raten ab 1.Mai 1936
Weitere Absenderfreistempel zur DEFAKA vor dem 2. Weltkrieg
und ein Absenderfreistempel der DEFAKA Dt. Bundespost 1951
In der vorstehenden 34. Beschäftigung mit dem Einheitspreis- und Kreditsystem wurde mit Franz Levy und Jakob Michael erneut auf 2 jüdische Schicksale in der deutschen Warenhausgeschichte verwiesen und der neue Untermenüpunkt soll sich unter dem Begriff ARISIERUNG etwas detaillierter damit beschäftigen.